Serafina – Das Königreich der Drachen: Band 1 (German Edition)
wollten dir einen schönen Bettbezug zeigen?«
»Natürlich nicht.« Ich umklammerte mein Handgelenk, das beängstigend stark blutete.
Dame Okra fischte das Taschentuch der Prinzessin wieder aus dem Korb und band es um mein Handgelenk. »Du riechst tatsächlich nach Saar«, sagte sie leise. »Ein Hauch Parfum würde das überdecken. So mache ich es jedenfalls. So eine Kleinigkeit wie unsere Abstammung soll schließlich kein Hindernis sein, nicht wahr?«
Sie half mir aufzustehen. Ich erklärte ihr, dass ich in den Südflügel gehen würde, aber sie schob mit ihren dicken Fingern die Brille zurecht und blickte mich finster an, als ob ich den Verstand verloren hätte. »Du brauchst Hilfe, und zwar in mehr als einer Hinsicht«, sagte sie. »Mein Bauch schickt mich in zwei verschiedene Richtungen, und das ist höchst beunruhigend. Ich weiß nicht, wohin ich zuerst gehen soll.«
Wir stiegen eine Treppe hinauf und befanden uns danach in der Nähe des Blauen Salons. Dame Okra hob warnend die Hand; ich wartete, während sie um die Ecke spähte. Ich vernahm Stimmen und Schritte, es waren Millie und Prinzessin Glisselda, die vom Südflügel kamen, wo sie vergeblich auf eine Musikstunde gewartet hatten.
Dame Okra drückte meinen Ellenbogen und raunte: »Was immer ihre Mutter auch behaupten mag, Glisselda ist keine Närrin.«
»Ich weiß«, antwortete ich und musste schlucken.
»Dann sei du es auch nicht.«
Dame Okra zog mich um die Ecke, direkt vor die beiden Mädchen. Prinzessin Glisselda stieß einen leisen Schrei aus. »Serafina! Alle Heiligen im Himmel, was hast du dir angetan?«
»Sie scheint eine gute Entschuldigung für ihr Zuspätkommen zu haben«, sagte Millie. »Du schuldest mir –«
»Ja, ja, sei still. Wo habt Ihr sie gefunden, Botschafterin?«
»Wir haben jetzt keine Zeit für Erklärungen«, sagte Dame Okra. »Bringt sie an einen sicheren Ort, Infanta. Möglicherweise ist jemand hinter ihr her. Und kümmert Euch um ihren Arm. Ich muss noch eine Angelegenheit erledigen, dann komme ich nach.«
Das Taschentuch war blutdurchtränkt und auf meinem Kleid verlief eine Blutspur. Mir wurde schwarz vor Augen, aber rechts und links von mir waren zwei junge Frauen, die mich am Arm packten, mir weiterhalfen und dabei immerzu schwatzten. Sie brachten mich in ein Zimmer, in dem vermutlich Millie wohnte. »… du hast fast dieselbe Größe«, schnatterte Glisselda aufgeregt. »Endlich wirst du mal richtig hübsch aussehen!«
»Eines nach dem anderen, Prinzessin«, wandte Millie ein. »Lasst uns zuerst nach dem Arm sehen.«
Die Wunde musste genäht werden. Sie riefen den Leibarzt der Königin. Er reichte mir ein Glas mit Pflaumenschnaps, dann noch eines. Aber auch als ich das dritte Glas hinuntergestürzt hatte, trat die erwartete einlullende Wirkung nicht ein; er gab es auf und begann mit dem Nähen. Wenn ich weinte, schnalzte er mit der Zunge und wünschte sich lauthals, dass ich betrunkener wäre. Ich nahm an, die Mädchen würden wegschauen, aber das taten sie nicht. Sie sahen mit weit aufgerissenen Augen zu, klammerten sich aneinander und verfolgten jeden Nadelstich und jede Fadenschlinge.
»Darf man fragen, wie um alles in der Welt du dir das selbst zugefügt hast, Musikmamsell?«, fragte der Arzt, ein alter kahlköpfiger Kerl, den nichts mehr aus der Ruhe bringen konnte.
»Sie ist hingefallen«, antwortete Glisselda für mich. »Auf einen … scharfen Gegenstand.«
»Im Keller«, fügte Millie hinzu, was sicher ungemein zur Glaubwürdigkeit der ganzen Geschichte beitrug. Der Arzt verdrehte die Augen, machte sich jedoch nicht die Mühe nachzufragen.
Kaum hatten die Mädchen ihn wieder hinauskomplimentiert, sagte Glisselda ernst: »Wie ist das passiert?«
Der Alkohol war mir anscheinend doch zu Kopf gestiegen; Schnaps, Blutverlust und der Mangel an Essen ließen alles um mich herum schwanken. So gerne ich auch gelogen hätte – denn wie sollte ich Glisselda beibringen, dass mich ihre eigene Mutter so zugerichtet hatte –, mir fiel keine einleuchtende Ausrede ein. Ich wollte wenigstens Prinzessin Dionne aus dem Spiel lassen, daher sagte ich: »Ihr habt sicher von dem Gerücht gehört, dass ich ein … ein Saar bin?«
Der Himmel bewahre mich davor, dass sie auch von dem anderen Gerücht gehört hatte.
»Ja, es war widerlich«, sagte die Prinzessin, »und augenscheinlich unbegründet.«
»Man hatte mein Blut noch nicht geprüft. Einige übereifrige und, ähm, sehr wachsame Personen beschlossen, das
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