Serafina – Das Königreich der Drachen: Band 1 (German Edition)
über diese bleichen Leinwände, sie wuchsen und vergingen mit dem Flackern des Feuers.
Aber ein Schatten bewegte sich absichtsvoll. Außer uns war noch jemand hier.
Lady Corongi führte mich durch das Labyrinth trocknender Tücher in eine Ecke des Raums, wo Prinzessin Dionne auf uns wartete. Sie ging auf und ab wie eine Löwin im Käfig. Irgendetwas stimmte hier nicht. Ich wollte stehen bleiben, aber Lady Corongi zerrte mich weiter. Die Prinzessin sagte gehässig: »Ich bin großmütig und gebe dir daher die Gelegenheit, dich selbst zu erklären, Maid Dombegh.«
Der Raum hatte keinen anderen Ausgang und nur winzige Fenster hoch oben an der Wand, die vom Dampf beschlagen waren. Es war so heiß, dass ich anfing zu schwitzen. Ich wusste nicht, was die Prinzessin von mir hören wollte. Weshalb ich mich vor der Blutentnahme gedrückt hatte? Dass ich ein Drache war? Oder ging es um die anderen Beschuldigungen, die Lady Corongi erhoben hatte? Oder um alles zusammen? Ich wagte nicht, aufs Geratewohl etwas zu sagen, daher fragte ich: »Erklärt mir bitte, was Ihr hören wollt, Hoheit.«
Sie zog einen Dolch aus ihrem Mieder. »So, ich denke, damit haben wir genug Großmut bewiesen, und jetzt, Clarissa, halte sie fest.«
Für eine so zierliche und vornehme Frau war Lady Corongi erstaunlich kräftig. Sie packte mich wie ein Ringkämpfer, Gürtelschloss sagt man wohl zu dem Griff, auch wenn dabei eher Schultern und Nacken eingeklemmt werden. Prinzessin Dionne machte Anstalten, meinen linken Arm zu fassen, aber ich streckte schnell den rechten hin. Sie nickte und schnaubte dann zufrieden, weil ich mich gar nicht erst wehrte. Ich nahm an, sie würde mir in den Finger stechen, aber stattdessen schob sie meinen Ärmel zurück, drehte mir den Arm um und zog das Messer schnell übers Handgelenk.
Ich schrie auf. Mein Puls raste wie ein galoppierendes Pferd. Ich riss mich los, ein roter Regen sprühte über die Leinentücher und verwandelte sie in das Gemälde eines Mohnfelds oder in eine grässliche Parodie eines Brautnachtlakens.
»Wie das?«, sagte die Prinzessin verärgert.
»Nein!«, rief Lady Corongi. »Das ist eine Täuschung. Ich weiß es aus sicherer Quelle, dass sie nach Saar riecht!«
»Deine sichere Quelle irrt.« Prinzessin Dionne rümpfte die Nase. »Ich rieche nichts und du auch nicht. Man sollte Gerüchten keinen Glauben schenken. Vielleicht handelt es sich um eine Verwechslung. Diese Leute aus dem Volk sehen doch alle gleich aus.«
Lady Corongi ließ mich los und ich sackte kraftlos zu Boden. Mit abgespreiztem kleinen Finger hob sie geziert den Saum ihres Kleides und versetzte mir mit ihren spitzen Schuhen einen Tritt. »Wie hast du das gemacht, du Ungeheuer? Wie hast du uns über die Farbe deines Bluts getäuscht?«
»Sie ist keine Saarantras«, sagte ruhig eine Frauenstimme hinter dem Wald aus Leinentüchern. Jemand kam quer durch den Raum auf uns zu, jemand, der sich von dem Wäschelabyrinth nicht abhalten ließ, der die Tücher einfach wegschob und auf direktem Wege herbeieilte. »Hör auf, sie zu treten, du dürre Hexe«, sagte Dame Okra Carmine und trat durch die blutbespritzten Tücher wie durch einen Vorhang.
Prinzessin Dionne und Lady Corongi starrten sie an, als wäre die stämmige Frau noch viel geisterhafter als sämtliche wehenden Tücher um uns herum. »Ich hörte jemanden schreien«, sagte Dame Okra. »Ich wollte die Wachen rufen, aber dann beschloss ich, selbst nachzusehen, was los ist. Vielleicht, so dachte ich bei mir, hat jemand eine Ratte gesehen.« Sie warf Lady Corongi einen scharfen Blick zu. »Womit ich nicht ganz falsch lag.«
Lady Corongi versetzte mir einen letzten Tritt, wie um zu beweisen, dass sie sich von Dame Okra nicht beeindrucken ließ. Prinzessin Dionne wischte ihren Dolch an einem Taschentuch ab und warf es in den nächstbesten Wäschekorb. Dann ging sie hocherhobenen Hauptes um mich herum, während ich am Boden kauerte. Sie blieb kurz stehen und blickte auf mich herab. »Glaub ja nicht, dass du meine Achtung wieder gewonnen hättest, nur weil du ein Mensch bist. Meine Tochter mag eine Närrin sein, ich bin es nicht, Dirne.«
Sie nahm Lady Corongis Arm und beide entfernten sich mit jener hochmütigen Haltung vornehmer Damen, die glauben, sich für nichts schämen zu müssen.
Dame Okra schwieg, bis beide verschwunden waren, dann eilte sie mir zu Hilfe. »Du warst eine Närrin, dass du ihnen in eine leere Waschküche gefolgt bist«, sagte sie tadelnd. »Dachtest du, sie
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