Serafina – Das Königreich der Drachen: Band 1 (German Edition)
der Holzverkleidung waren nur noch schwache Spuren der einstigen Vergoldung zu sehen. Ich kniff die Augen zusammen, um die blasse Inschrift zu lesen: Kein Himmel außer diesem.
Der Leitspruch der Heiligen Yirtrudis. Mich überlief es kalt.
Über mir waren unter einer weißen Tünche blasse Umrisse zu erkennen. Dort, wo man ihr Gesicht weggemeißelt hatte, war ein unschöner Fleck zurückgeblieben, aber um diesen Fleck herum konnte man noch schemenhafte Linien erkennen: die ausgestreckten Arme, das wallende Gewand, ihre … Haare? Ich hoffte, dass es ihre Haare und nicht irgendwelche Tentakel oder Spinnenbeine oder noch Schlimmeres waren.
Vom Querschiff her hörte ich gedämpfte Stimmen. Neugierig spähte ich aus meinem Versteck. Nicht weit von mir entfernt stand Josef, Graf von Apsig, diesmal allerdings ohne seinen schwarzgefiederten Hut. Er unterhielt sich leise mit einem Priester. Der Kirchenmann hatte mir den Rücken zugekehrt, aber ich sah, dass er eine Kette mit bernsteinfarbenen Gebetskugeln um den Hals trug.
Hastig kauerte ich mich wieder hinter das Instrument. Die beiden Männer besprachen sich, dann umarmten sie sich und gingen auseinander. Als ich mich hervorwagte, war Josef schon durch das Südportal verschwunden.
Ich schlich zur großen Vierung, stellte mich hinter das Goldene Haus und hielt unter den Priestern Ausschau nach demjenigen, mit dem Josef gesprochen hatte. Aber keiner von ihnen trug bernsteinfarbene Kugeln um den Hals.
Plötzlich wurde ich auf einen merkwürdigen Schatten aufmerksam. Zuerst hielt ich die Gestalt in der schwarzen Kutte für einen Mönch, der sich ein wenig seltsam benahm. Er stand lange Zeit in einer unnatürlichen Haltung da, dann bewegte er sich fast unmerklich, so wie sich die Zeiger einer Uhr oder die Wolken an einem windstillen Tag bewegen, dann jedoch wieder schnell und ruckartig. Er wollte offensichtlich nicht, dass man ihn bemerkte, wusste aber nicht, wie man das am besten anstellte.
Das alles deutete auf einen Saar hin.
Ich versteckte mich und wartete, bis die Gestalt im nördlichen Längsschiff war. Jetzt konnte ich sie deutlich sehen. Ich erkannte das Profil und erschrak.
Es war der Ardmagar.
Ich folgte ihm in sicherer Entfernung durch die düstere Apsis. Der Fußboden war aus Marmor und so glatt poliert, dass er nass wirkte. Das Licht Hunderter kleiner Kerzen spiegelte sich in den vergoldeten Deckenbögen und verlieh der weihrauchgeschwängerten Luft einen besonderen Schimmer. Comonot bewegte sich jetzt unauffälliger. Er ging an dem grimmigen Sankt Vitt und dem verschlagenen Sankt Polypous vorbei, bis zu der Kapelle am äußersten Ende der Kathedrale, wo Sankt Gobnait, pausbäckig und milde, auf ihrem Thron saß, die heiligen Bienen in ihrem Schoß. Auf dem Kopf trug sie eine goldene Honigwabenkrone. Ihre Augen leuchteten in einem überirdischen Blau und die weißen Augäpfel standen in kräftigem Kontrast zu ihrem gebräunten Gesicht.
Comonot blieb stehen, nahm die Kapuze ab und drehte sich lächelnd zu mir um.
Das Lächeln verblüffte mich, zumal es von einem Drachen kam, aber es war im selben Moment verschwunden, in dem er erkannte, wen er vor sich hatte.
Er wandte sich ab und tat so, als betrachtete er den heiligen Bienenkorb, den die Mönche im Frühjahr als Behausung für die gesegneten Bienen nach draußen trugen.
»Was willst du?«, fragte Comonot zu Sankt Gobnait gewandt.
Ich starrte auf seine ölgestriegelten Haare. »Ihr solltet nicht alleine und auf eigene Faust hierherkommen.«
»Ich bin ungehindert durch die ganze Stadt gelaufen, ohne dass irgendetwas passiert ist.« Er machte eine schwungvolle Geste, woraufhin mir ein aufdringlicher Parfümduft entgegenschlug. »Keiner dreht sich nach einem Mönch um, welch eine brillante Tarnung.«
Nach einem parfümierten Mönch wohl doch; aber es war sinnlos, über diesen Punkt zu debattieren. »Ich muss Euch etwas mitteilen«, sagte ich ungerührt. »Es betrifft meinen Großvater.«
Er drehte mir stur den Rücken zu und tat so, als betrachte er den Bienenkorb. »Wir wissen alles über ihn. Wahrscheinlich beißt ihm Eskar gerade jetzt den Kopf ab.«
»Ich habe Erinnerungen von meiner Mutter –« Er schnaubte verärgert, aber ich fuhr unbeirrt fort. »Meine Mutter hat herausgefunden, dass nicht nur Imlann gegen den Friedensschluss ist. Es gibt eine Intrige. Eine Gruppe von Verschwörern wartet, bis Goredd schwach genug ist. Und was dann passiert, kann ich nur erahnen –«
»Ich bin sicher, du
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