Serafina – Das Königreich der Drachen: Band 1 (German Edition)
Schlucke und starrte in die Luft. »Ich war nicht in meiner Kutsche. Ich hatte nie die Absicht, die Goldenen Spiele anzuschauen. Mich interessiert eure komische Religion nicht und auch nicht die Schauspiele, die sie hervorbringt.«
»Was habt Ihr in der Kathedrale gemacht? Der Wunsch nach religiöser Erbauung war ja wohl nicht der Grund.«
»Das geht dich nichts an.« Er nippte an seinem Wein und kniff nachdenklich die Augen zusammen. »Wie nennt ihr es, wenn jemand etwas ohne ersichtlichen Grund für jemand anderen tut? Selbstlosigkeit?«
»Hm. Ihr sprecht davon, dass Ihr mich verteidigt habt?«
»Natürlich, was denn sonst?«
»Ihr hattet durchaus einen Grund. Ihr wart dankbar, dass ich Euer Leben gerettet habe.«
»Nein!«, schrie er so laut, dass ich zusammenzuckte. »Das fiel mir erst wieder ein, als die Tat bereits vollbracht war. Ich habe dich verteidigt, ohne nachzudenken. Einen Moment lang habe ich …«, er hielt inne, sein Atem ging schwer und seine Augen blitzten vor Entsetzen, » … habe ich an dich gedacht und was dir gerade passiert. Es hat mir etwas ausgemacht. Die Vorstellung, dass man dich verletzen könnte, hat mich … verletzt!«
»Ich würde es Mitgefühl nennen«, sagte ich ohne jedes Mitgefühl für ihn, den allein schon der Gedanke daran anwiderte.
»Aber das war nicht ich, verstehst du?«, jammerte er. Der Wein machte ihn allmählich weinerlich. »Es ist dieser höllische Körper. Die Gefühle überschwemmen ihn, ehe man überhaupt zum Nachdenken kommt. Vielleicht ist es ja der Arterhaltungstrieb, aus dem heraus man die Jungen und Wehrlosen verteidigt, aber ich empfinde gar nichts für dich. Dieser Körper will Dinge tun, die ich selbst niemals gewollt hätte.«
Ausgerechnet in diesem Moment trat Hauptmann Kiggs zur Tür herein.
Er wirkte verlegen. Vermutlich erging es ihm nicht viel anders als mir. Bei unserem letzten Zusammentreffen hatte er mich festnehmen lassen. »Ardmagar. Maid Dombegh«, sagte er nickend. »Ihr habt ein ziemliches Durcheinander beim Bienenkorb hinterlassen. Hätte jemand die Güte mir zu sagen, was passiert ist?«
Comonot übernahm es zu antworten. Seiner Darstellung nach waren wir beide in die Apsis gegangen, um ungstört miteinander zu reden. Ich hielt den Atem an, aber Comonot verlor weder ein Wort über meine Herkunft noch über die Erinnerungen meiner Mutter. Er behauptete einfach, ich hätte ihm etwas Vertrauliches mitteilen wollen.
»Worum ging es?«, fragte Kiggs.
»Das geht Euch nichts an«, knurrte der Ardmagar. Er hatte inzwischen so viel Wein in sich hineingeschüttet, dass er die Tür zu dem geistigen Raum nicht mehr fand, in dem er seine Gefühle wegschließen konnte. Falls es einen solchen Raum überhaupt jemals gegeben hatte.
Kiggs zuckte die Schultern und Comonot berichtete nun in allen Einzelheiten von dem kurzen und blutigen Kampf. Kiggs zog Thomas’ Dolch aus seinem Gürtel und drehte ihn zwischen den Fingern. Die Spitze war verbogen. »Könnt Ihr mir sagen, wie das passiert ist?«
Comonot runzelte die Stirn. »Vielleicht ist er so ungünstig auf den Fußboden gefallen, dass –«
»Unwahrscheinlich. Es sei denn, der Mann hat die Klinge direkt in den Steinboden gerammt«, widersprach Kiggs und sah mich dabei zum ersten Mal seit Langem an. »Serafina?«
Das quälend unangebrachte Gefühl kam wieder in mir hoch, als er mich mit meinem Vornamen ansprach. »Er hat auf mich eingestochen«, sagte ich und starrte auf meine Hände.
»Was sagst du da? Davon weiß ich ja gar nichts! Wo hat er dich verletzt?« Er klang so erschrocken, dass ich aufschaute und sofort wünschte, ich hätte es nicht getan; es tat weh, zu sehen, wie er sich um mich sorgte.
Ich tastete meine rechte Nierengegend ab. Der Einstich ging, was nicht weiter verwunderte, durch meinen Umhang und durch sämtliche Kleidungsstücke hindurch. Vielleicht konnte ich meinen Gürtel fest genug ziehen, damit man die Einstichstelle nicht sah? Ich hob den Kopf. Kiggs sah mich ungläubig an. Ich konnte es ihm nicht verdenken. Eigentlich müsste ich jetzt tot sein.
»Hat Glisselda es Euch nicht gesagt? Ich habe ein Gelübde abgelegt und trage einen silbernen Gürtel, der mich davor bewahren soll, eine Häretikerin zu werden.«
Kiggs schüttelte den Kopf. »Du hältst immer eine Überraschung bereit, nicht wahr? Wenn du meinen Rat hören willst: Ein so heftiger Stoß …«, er hielt den verbogenen Dolch hoch, »verursacht eine schmerzhafte Prellung, wenn nicht gar eine Platzwunde.
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