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Serafina – Das Königreich der Drachen: Band 1 (German Edition)

Serafina – Das Königreich der Drachen: Band 1 (German Edition)

Titel: Serafina – Das Königreich der Drachen: Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Hartman
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ich leise.
    In ihrer Miene spiegelte sich ein Wechselbad der Gefühle wider – Erstaunen, Kummer, Verwunderung und Freude –, um schließlich in einem Gefühl zu münden, das ihr am besten stand: Verärgerung. Sie gab mir einen Klaps mit ihrem Fächer. »Wieso sagst du mir das erst jetzt? Hast du eine Ahnung, wie alt ich bin?«
    »Ähm, nein.«
    »Hundertachtundzwanzig!«, schnaubte sie. »Und genau so viele Jahre lang habe ich geglaubt, ich sei allein. Dann platzt du mir nichts, dir nichts in mein Leben, dass mich fast der Schlag trifft, und behauptest frech, dass es noch andere meinesgleichen gibt? Wie viele sind es denn?«
    »Achtzehn, wenn man uns beide mitzählt«, sagte ich ehrlich, denn nun wagte ich es nicht mehr, ihr etwas vorzuenthalten. »Aber nur zwei von ihnen sind hier: der Dudelsackbläser …« – sie lachte laut auf, anscheinend erinnerte sie sich an ihn – »und einer von den Pygegyria-Tänzern. Ein kleiner porphyrischer Junge.«
    Dame Okra zog die Brauen hoch. »Du hast Pygegyria-Tänzer eingeladen? Heute Abend?« Sie schüttelte den Kopf und lachte. »Was immer man von dir sagen mag, du hast eine eigene Art, an die Dinge heranzugehen, und du tust das mit einer erfrischenden Starrköpfigkeit. Das gefällt mir!«
    Nach diesen Worten tauchte sie in die farbenfrohe Menge ein und ließ mich alleine rätseln, wie das Kompliment zu verstehen war.

    Erst jetzt, da die Rede auf Pygegyria gekommen war, fiel mir auf, dass ich die Tanztruppe noch gar nicht gesehen hatte. Ich nahm mit Abdo Verbindung auf: Wo seid ihr?
    In der kleinen Empfangshalle. Wir sind zu viele, wir passen nicht alle in euren winzigen Umkleideraum.
    Bleibt, wo ihr seid. Ich komme zu euch.
    Ich huschte in den Gang hinaus und gelangte ohne große Mühe bis zu der Doppeltür, die zur kleinen Halle führte. Zögernd legte ich die Hand auf die Messingklinke. Abdo war ganz anders als die anderen – seine Art zu denken glich eher der meinen oder Jannoulas –, daher hatte ich fast ein wenig Angst, ihn kennenzulernen. Nach dieser Begegnung war er auf immer mit meinem Leben verbunden, im Guten wie im Schlechten.
    Ich holte tief Luft und öffnete die Tür.
    Gejohle und ein Trommelwirbel schlugen mir entgegen.
    Alle Tänzer übten bereits, sie hatten zwei Kreise gebildet und bewegten sich in entgegengesetzten Richtungen umeinander. Einen Moment lang sah ich nichts außer wehenden bunten Tüchern und schimmernden Schleiern, braunen Händen und klimpernden Ketten mit Münzen.
    Die Kreise öffneten sich, die Tänzer sprangen zur Seite und gaben den Blick auf Abdo frei, der in einer grünen Tunika und einer grünen Hose in der Mitte tanzte, mit nackten Füßen und schlängelnden Armbewegungen. Die Tänzer ließen die Tücher flattern, die Ketten und Münzen klimpern und hüpften davon. Abdo drehte sich mit ausgestreckten Armen um die eigene Achse, die langen Fransen an seinem Gürtel flogen wie ein Reif um seine Hüfte.
    Zum ersten Mal verstand ich, warum man tanzte. Ich war es gewohnt, mich mit Musik auszudrücken, aber hier sprach er selbst zu mir, nicht mit seinen Gedanken, sondern mit seinem ganzen Körper. Die Musik dringt mir ins Blut und offenbart mich so, wie ich bin – hier und jetzt, ein Wesen aus Fleisch und Blut, ein Wesen aus Geist und aus Bewegung. Ich spüre das alles, und es ist wahr, jenseits aller Wahrheiten.
    Der Himmel schien sich mit ihm zu drehen, die Sonne und der Mond, ja sogar die Zeit. Er wirbelte so schnell um seine eigene Achse, dass es fast aussah, als würde er still stehen. Ich hätte schwören können, dass es nach Rosen duftete.
    Auf einen lauten Trommelwirbel hin verharrte er reglos wie eine Statue. Ich war mir nicht sicher, ob man in Porphyrien Beifall klatschte, aber ich applaudierte. Das brach das Eis. Die Tänzer lachten, lösten den Kreis auf und plauderten miteinander. Ich ging zu Abdo, der mit leuchtenden Augen auf mich wartete.
    »Das war wunderschön«, sagte ich. »Ich glaube, die Leute werden euch mögen, ob sie wollen oder nicht.«
    Er lächelte.
    »Ich habe euch zu später Stunde aufs Programm gesetzt, wenn die Gäste etwas brauchen, um wach zu bleiben. Für die Künstler gibt es Essen und Trinken in dem kleinen Raum neben –«
    »Madamina!«, rief ein alter Mann. Ich brauchte einen Moment, bis ich ihn erkannte. Es war der Greis, der mich nach dem Begräbnis des Prinzen angesprochen hatte; jetzt trug er allerdings seidene Kleider. Bestimmt war er der Großvater, von dem Abdo gesprochen hatte.

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