Serafina – Das Königreich der Drachen: Band 1 (German Edition)
»Entschuldigt!«, sagte er. »Ihr seid gekommen, um mit Abdo zu reden, aber er kann ohne Hilfe nicht mit Euch sprechen. Entschuldigung.«
»Er kann was nicht?« Ich war mir nicht sicher, ob ich ihn richtig verstanden hatte.
Ich sah Abdo fragend an. Er schien über die Einmischung nicht sonderlich erfreut zu sein. Er machte dem alten Mann Zeichen und dieser gestikulierte zurück. War der Junge etwa taub? Wie konnte er im Garten so gut Goreddi sprechen? Abdo schickte den alten Mann weg, was mich erstaunte. Abdo war zehn, vielleicht elf Jahre alt, aber der alte Mann hatte Respekt vor ihm.
Alle Tänzer hatten Respekt vor ihm. Er war der Anführer der Truppe.
Er lächelte entschuldigend, und in meinen Gedanken hörte ich ihn sagen: Der Laute Lauser und Madame Pingelig, ich weiß Bescheid. Ich weiß genau, was ich zu tun habe. Ich werde dich nicht im Stich lassen.
Du kannst nicht reden? , fragte ich in Gedanken zurück, denn ich wollte das Offensichtliche nicht laut hinausposaunen.
Er lächelte mich gequält an, warf den Kopf in den Nacken und machte den Mund so weit auf, wie er konnte. Seine lange Zunge, sein Gaumen, die gesamte Kehle schimmerte von silbernen Schuppen.
Der Abend schleppte sich quälend lange hin und verging gleichzeitig so schnell wie ein Traum. An jeder freien Stelle hatte Kiggs seine Wachen postiert; einige seiner Männer trugen keine Uniform und umlagerten wie zufällig das Buffet, einige von ihnen verunsicherten meine Musiker auf der Bühne. Kiggs, die Prinzessin und ich beobachteten uns gegenseitig dabei, wie wir den Ardmagar im Auge behielten; Glisselda tanzte dreimal mit ihm, und immer wenn sie mit Kiggs tanzte, blieb sie in Comonots Nähe. Dame Okra verwickelte den Ardmagar am Tisch mit den Erfrischungen in einen Plausch, ich selbst stand auf der Bühne hinter dem Vorhang und beobachtete die Menge durch einen Spalt. Keiner benahm sich irgendwie auffällig – nun ja, Prinzessin Dionne lächelte oft, was ungewöhnlich für sie war, und tratschte mit Lady Corongi, was wiederum nichts Besonderes war. Der Graf von Apsig tanzte mit jeder Dame, die ihm über den Weg lief, und schien nie müde zu werden.
Viridius saß in seinem Rollstuhl, ein paar junge Männer versorgten ihn mit Wein und Käse. So viel fettes Essen würde ihn eine Woche lang in schlechte Stimmung versetzen und ihn krank machen; ich verstand nicht, weshalb er das riskierte.
Das Orchester verließ die Bühne, woraufhin Lars und Guntard das Cembalo für Glisseldas Auftritt heranschleppten. Plötzlich stand die Prinzessin hinter der Bühne neben mir, kicherte aufgeregt und packte mich am Arm. »Ich kann das nicht, Fina!«
»Atmet tief durch«, riet ich ihr und umfasste ihre Hände, damit sie ruhiger wurde. »Achtet bei den Arpeggios auf das Tempo, Prinzessin. Und spielt die Pavane gleichmäßig. Ihr werdet eine wundervolle Vorstellung geben.«
Sie hauchte mir einen Kuss auf die Wange und trat ins Rampenlicht, wo noch im selben Augenblick aus dem aufgeregten, piepsigen Mädchen eine würdevolle junge Dame wurde. Ihr Kleid war blau wie der Himmel, ihre Haare golden wie die Sonne. Selbstbewusst hob sie den Kopf und winkte stolz ins Publikum. Ich blinzelte erstaunt, aber eigentlich hätte ich mich nicht über ihre ruhige, sichere Art zu wundern brauchen. Sie musste zwar noch vieles lernen, aber das würdevolle Auftreten war ihr offensichtlich von der Natur in die Wiege gelegt worden.
Was ihre musikalischen Fähigkeiten anging, so waren sie von, nun ja, atemberaubender Mittelmäßigkeit, aber das spielte keine Rolle. Sie überstand die Vorstellung mit Haltung und Ausstrahlung, sodass selbst Viridius beeindruckt war. Ich beobachtete ihn hinter dem Vorhang. Er hörte ihr mit offenem Mund zu und das erfreute mich gleich aus mehreren Gründen.
Natürlich beobachtete ich auch Comonot, insbesondere weil dies außer mir sonst niemand tat. Dame Okra war von der ihr zutiefst verhassten Lady Corongi abgelenkt, die sie argwöhnisch beäugte. Kiggs, der sich links postiert hatte, lächelte beglückt über die Vorstellung seiner Cousine. Sein unverhohlener Stolz erfüllte mich mit wehmütigem Schmerz und ich blickte woanders hin. Der Ardmagar, dem ich jetzt ganz bewusst meine Blicke zuwandte, stand hinten im Saal bei Prinzessin Dionne, lauschte mit einem Glas in der Hand der Vorstellung, die andere Hand hatte er um die Taille der Prinzessin gelegt.
Sie schien sich nicht daran zu stören, aber puh …
Ich erschrak über die tiefe Abscheu, die
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