Serafina – Das Königreich der Drachen: Band 1 (German Edition)
der Anblick in mir hervorrief. Wenn ein Mensch sich mit einem Saarantras abgab, so hatte gerade ich am allerwenigsten Anlass, dies abzulehnen. Nein, mein Widerwillen rührte eher von den widerlichen Personen, um die es sich dabei handelte, und davon, dass ich mir den Ardmagar gerade nackt vorgestellt hatte. Ich musste dringend meine Gedanken rein schrubben.
Glisselda beendete ihr Spiel unter donnerndem Applaus. Ich hatte erwartet, dass sie sofort die Bühne verlassen würde, aber das tat sie nicht. Stattdessen hob sie die Hand und bat um Ruhe. Dann sagte sie: »Vielen Dank für den großzügigen Applaus. Ich hoffe jedoch, dass jeder noch etwas Beifall aufgespart hat für diejenige, die ihn am meisten verdient, für meine Musiklehrerin Serafina Dombegh!«
Der Beifall setzte von Neuem ein. Glisselda winkte mich zu sich auf die Bühne. Ich zögerte, aber da kam sie auch schon zu mir, packte meinen Arm und zog mich nach vorn. Ich knickste verlegen vor einem Meer von Gesichtern. Als ich aufblickte, sah ich Kiggs, der mir verstohlen zuzwinkerte. Ich versuchte zurückzulächeln, was mir aber nicht so recht gelang.
Mit einem Wink brachte Glisselda das Publikum zur Ruhe. »Ich hoffe, Maid Dombegh wird mir verzeihen, dass ich ihren sorgfältig aufgestellten Plan durcheinanderbringe, aber alle, die hier versammelt sind, haben sich einen musikalischen Leckerbissen verdient, nachdem sie meine armselige Vorstellung über sich haben ergehen lassen: eine Darbietung von Serafina selbst. Und ich fordere hiermit alle auf, meine Bitte an die Königin zu unterstützen, Serafina neben Viridius zur Hofkomponistin zu ernennen. Sie ist viel zu gut, um nur seine Gehilfin zu sein!«
Zu meiner Verwunderung bedachte Viridius sie nicht mit einem finsteren Blick, sondern warf den Kopf in den Nacken und lachte. Die Zuhörer klatschten noch mehr, und ich ergriff die Gelegenheit, um Glisselda ins Ohr zu raunen: »Ich habe kein Instrument mitgebracht.«
»Hinter uns steht ein Cembalo, du Dummerchen«, flüsterte sie. »Und ich habe mir die Freiheit genommen, deine Flöte und deine Laute herbeiholen zu lassen. Du kannst also wählen.«
Sie hatte die Flöte meiner Mutter mitgebracht. Der Anblick versetzte mir einen Stich. Ich hätte gerne darauf gespielt, aber irgendwie war es zu persönlich. Die Laute, die mir Orma vor langer Zeit geschenkt hatte, würde mein verletztes Handgelenk nicht allzu sehr überanstrengen, und das gab den Ausschlag. Guntard brachte mir das Instrument und das Plektrum, Lars stellte einen Stuhl für mich bereit. Ich nahm Platz, legte das melonenförmige Instrument in meinen Schoß und überprüfte die elf Saiten, die zum Glück wohlgestimmt waren. Dabei richtete ich meinen Blick auf die Zuhörer. Kiggs sah mir zu. Glisselda gesellte sich zu ihm und er legte den Arm um sie. Niemand achtete auf den Ardmagar. Ich suchte Lars in meinen Gedanken und schickte ihn zu Comonot. Zufrieden stellte ich fest, dass er sofort in seine Richtung ging. Ich schloss die Augen und begann zu spielen.
Ich hatte nicht vor, etwas Spezielles zum Besten zu geben; ich machte es wie die Musiker aus Ziziba. Ich improvisierte auf der Laute, suchte nach einer Melodie, so wie man Wolken am Himmel sucht, um Bilder darin zu erkennen, dann entwickelte ich sie weiter. Immer wieder kehrte mein Blick zurück zu Kiggs und Glisselda, zwischen uns ein Meer von Menschen, aber das verlieh meinen musikalischen Wolken eine traurige, selbstvergessene Gestalt, die mir nicht gefiel. Während ich spielte, tauchte eine neue Melodie auf. Das Menschenmeer war immer noch da, aber jetzt war meine Musik ein Schiff, eine Brücke, ein Leuchtturm. Es verband mich mit jedem hier im Saal, wir hielten uns an den Händen, die Musik führte uns alle an einen besseren Ort. Die Tonart veränderte sich (das waren die Wellen des Meeres) und änderte sie noch einmal (der Flug der Möwen) und löste sich in einem wunderbaren Klang auf (ein Kalkfelsen, ein windumtoster Leuchtturm). Dann wagte sich eine andere Melodie hervor, eine Melodie meiner Mutter, ich spielte sie behutsam, ja fast scheu, eine heimliche Variation über das Thema, ohne es direkt zu übernehmen. Ich streifte das Lied, umkreiste das Thema, ließ es leise anklingen, umkreiste es wieder. Es zog mich immer wieder aufs Neue in seinen Bann, bis ich endlich nachgab und ohne weitere Umschweife die Melodie meiner Mutter spielte und dazu die Verse meines Vaters sang. Einen zauberhaften Augenblick lang waren wir drei
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