Serafina – Das Königreich der Drachen: Band 1 (German Edition)
Gesicht. »So etwas gibt es.«
»Was hast du gerade über meine Mutter gesagt, Lucian?«, fragte Glisselda mit belegter Stimme.
Kiggs gab ihr keine Antwort. Er ließ meinen Arm los, blieb aber neben mir stehen. Ich folgte seinem Blick – und sah gerade noch, wie Orma seinen Sturzflug in letzer Sekunde abfing und mit dem Schwanz einen Schornstein und das Dach einer Kneipe wegfegte. Und fast im selben Moment hörten wir ein lautes Krachen und die Schreckensschreie der Bewohner.
»Alle Heiligen im Himmel!«, rief Glisselda, die näher gekommen war und sich die schmerzende Seite hielt. »Warum hilft ihm der da nicht?«
Und in der Tat, der da flog immer noch untätig hin und her. Jetzt kam er auf uns zu, wurde größer und größer und landete schließlich etwas tiefer am Berghang; ein Stoß Schwefelluft zwang uns ein paar Schritte zurück. Er reckte seinen schlangenhaften Hals und tat dann das Gegenteil von dem, was Imlann gemacht hatte; er sank in sich zusammen, wurde kühler und schrumpfte zu einem Menschen zusammen. Vor uns stand Basind splitternackt im Schnee und rieb sich die Hände.
»Saar Basind!«, blaffte ich ihn an, obwohl ich wusste, wie sinnlos es war, auf ihn wütend zu sein. »Du lässt es zu, dass Orma getötet wird! Verwandle dich sofort wieder in einen Drachen!«
Basind drehte sich um. Ich stutzte. Sein Blick war scharf, seine Bewegungen geschmeidig und flink, als er durch den Schnee auf mich zukam. Mit einer raschen Kopfbewegung strich er die strähnigen Haare aus dem Gesicht und sagte: »Dieser Kampf geht mich nichts an, Serafina. Ich habe die einschlägigen Informationen über deinen Onkel gesammelt und nun muss ich wieder nach Hause.«
»Du bist … du bist einer von den …«, stammelte ich fassungslos.
»Zensoren, genau. Wir überprüfen deinen Onkel regelmäßig, aber es ist schwierig. Für gewöhnlich merkt er es, wenn er geprüft wird, und überlistet uns. Aber diesmal sind starke Gefühle von verschiedenen Seiten auf ihn eingestürmt, da konnte er nicht mehr so wachsam sein wie sonst. Der Ardmagar hat Ormas Exzision bereits befohlen, ich muss mir also nicht die Mühe machen, den Fall zur Anklage zu bringen.«
»Was hat Orma denn angestellt?«, fragte Glisselda hinter mir. Ich drehte mich um. Sie stand auf einer Felsplatte in gebieterischer Haltung, während der Himmel hinter ihr immer roter und goldener wurde.
»Er hat seine Nichte, die halb Mensch, halb Drache ist, zum wiederholten Mal seinem eigenen Volk vorgezogen«, antwortete Basind gelangweilt. »Er hat gewisse Gefühle gezeigt, die so stark waren, dass sie die erlaubten Grenzen bei Weitem überschritten; dazu gehörten Liebe, Hass und Kummer. Auch jetzt ist er drauf und dran, einen Kampf zu verlieren, den er mit Leichtigkeit gewinnen könnte, und zwar aus Sorge um einen Menschenjungen, den er nicht einmal kennt.«
Während Basind noch redete, krachte Orma mit dem Rücken gegen den Turm der Kathedrale und zerstörte den Glockenstuhl. Steine und Holzsplitter prasselten gegen die Glocken und mischten zusätzliche Misstöne in den Arde-Ruf, der immer noch von allen Türmen der Stadt erscholl.
»Ich biete ihm Asyl an«, sagte Glisselda und verschränkte die Arme vor der Brust.
Basind zog die Augenbrauen hoch. »Er verwüstet gerade eure Stadt.«
»Er kämpft gegen einen ganz besonderen Verräter. Imlann hat versucht, den Ardmagar zu töten!«
Basind zuckte mit seinen knochigen Schultern. »Tja, das interessiert mich alles nicht sonderlich.«
»Ist es denn egal, ob der Frieden bestehen bleibt oder nicht?«
»Wir Zensoren sind älter als der Frieden; auch wenn er längst brüchig geworden ist, wird es uns geben.« Er blickte an sich hinab und schien erst jetzt zu bemerken, dass er nackt war. Er machte Anstalten in die Höhle zu gehen, aber Kiggs stellte sich ihm in den Weg. Basind verdrehte die Augen. »Dieser dumme Körper ist kalt. Auf dem Fußboden liegen Kleider. Gib sie mir.«
Kiggs kam der Aufforderung nach. Mich überraschte seine Eilfertigkeit, aber dann fiel mein Blick auf Lady Corongis Kleid und ich verstand. Basind zog es an, murmelte mürrisch, dass es zu eng sei, aber sonst hatte er nichts daran auszusetzen. Er drehte sich um und schlenderte ungehindert in Richtung Ausfalltor davon.
»Lucian!«, rief Glisselda. »Lass ihn nicht weggehen. Ich glaube nicht, dass er uns freundlich gesonnen ist.«
»Die Tunnel sind alle gesperrt. Man wird ihn ergreifen, bevor er Schaden anrichten kann.«
Ich wünschte, er hätte
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