Serafina – Das Königreich der Drachen: Band 1 (German Edition)
du umkehrst.«
»Seid nicht albern.«
»Fina, ich weiß nicht, was ich tue, wenn dir etwas zustößt! Bitte, geh zurück!« Er baute sich vor mir auf, um mir den Weg zu versperren.
»Hört auf damit!«, schrie ich. »Ihr vergeudet nur Zeit.«
Der Kummer legte sich wie ein Schleier über sein Gesicht. Kiggs nickte kurz und wandte sich unserer eigentlichen Aufgabe zu. Wir rannten weiter.
Am Ausgang der Höhle war niemand zu sehen. Über den Boden verstreut lagen Frauenkleider wie eine abgestreifte Haut. Kiggs und ich blickten uns an; wir dachten beide an das zusammengelegte Kleid, das wir hier gefunden hatten. Es war so naheliegend gewesen und doch hatten wir nichts begriffen.
Glisselda hatte offensichtlich mit »Lady Corongi« gekämpft, während diese sich auszog, also bestand ein wenig Hoffnung, dass der Drache noch nicht fliegen konnte. Wir rannten durch den Höhlenausgang hinaus auf das rutschige, schneebedeckte Gras und suchten nach den beiden. Ein gellender Schrei war zu hören. Glisselda. Wir drehten uns um. Direkt über dem Höhleneingang, kaum mehr als ein Schatten vor dem heraufziehenden Morgenrot, stand ein kräftiger, nackter Mann, der Glisselda über seine Schulter geworfen hatte.
All die Jahre, fast so lange wie Glisselda lebte, hatte er sich am Hof aufgehalten, verkleidet als alte Frau. Getränkt in Parfüm, andere Saar meidend, hatte er sich bei Prinzessin Dionne eingeschlichen und war so geduldig gewesen, wie es nur Reptilien sein können.
Bei all meinen Begegnungen mit Saarantrai hatte ich noch nie zuvor gesehen, wie sich ein Saarantras von seiner Menschengestalt in einen Drachen verwandelte. Der nackte Mann richtete sich auf, streckte und reckte sich. Es sah seltsam natürlich aus, wie er das machte, seine menschlichen Glieder entsprachen Drachengliedmaßen, seine Schultern wurden zu Flügeln, seine Wirbelsäule verlängerte sich und mündete in einen Schwanz, sein Gesicht zog sich in die Länge, auf seiner Haut sprossen Schuppen. Das alles gelang ihm, ohne Glisselda loszulassen. Als die Verwandlung vollendet war, hielt er sie fest zwischen den Krallen seiner Vorderfüße.
Wenn wir schlau gewesen wären, hätten wir uns auf ihn gestürzt, solange er sich noch verwandelte, aber wir standen starr da, viel zu überwältigt von dem, was sich da vor unseren Augen vollzog.
Jetzt war kein Zweifel mehr möglich: Es war Imlann.
Nur noch wenige Minuten lang würde er nicht fliegen können. Ein Saar, der sich gerade erst in einen Drachen verwandelt hatte, war verletzlich und schwach, so wie ein Schmetterling, der aus seinem Kokon geschlüpft war. Seine Kiefer mahlten, er konnte schon Feuer spucken. Ich zog Kiggs in die Höhle zurück, gerade noch rechtzeitig, bevor ein Feuerball vor dem Eingang einschlug und eine Wolke aus glühenden Steinen und Schwefel aufstob. Imlann brachte noch keine richtig große Flamme zustande, aber wenn er sich in die Höhle hinunterbeugte, dann brauchte er das gar nicht, zumal Kiggs sich stur weigerte zurückzuweichen.
Wie lange würden Lars und Abdo brauchen, um hierherzukommen? Und Orma, wenn er denn überhaupt käme. Es gab nur eine Möglichkeit. Ich drehte mich um und ging zum Höhlenausgang.
»Bist du wahnsinnig?«, schrie Kiggs und hielt mich am Arm fest.
Ich war tatsächlich wahnsinnig. Ich drehte mich um und küsste ihn, direkt auf den Mund, denn vielleicht war es das Letzte, was ich jemals tun würde, dabei liebte ich ihn doch so sehr und es machte mich so unendlich traurig, dass er das niemals erfahren würde. Der Kuss verblüffte ihn derart, dass er mich losließ. Ich rannte hinaus in den Schnee und stieg ein Stück den Abhang hinauf.
»Imlann!« Ich hüpfte und winkte wie närrisch mit den Armen. »Nimm mich mit!«
Das Ungetüm warf den Kopf zurück und schrie: »Du bist kein Drache. Das haben wir in der Waschküche ja herausgefunden. Was, beim Flammenstoß, bist du?«
Das war es. Ich musste sein Interesse derart wecken, dass er mich nicht sofort tötete. Es gab nur eines, womit ich dies erreichen konnte. »Ich bin deine Enkelin!«
»Unmöglich.«
»Doch, das ist möglich! Linn hat einen Menschen geheiratet, er heißt Clau–«
»Sprich seinen Namen nicht aus. Bis zu meinem Tode möchte ich ihn nicht hören. Er ist ein namenloses Etwas, das Gegenteil von Ard.«
»Und doch hat deine namenlose Tochter ihrem namenlosen Ehemann eine Tochter geboren.«
»Aber Orma hat etwas anderes berichtet …«
»Orma hat gelogen.«
»Ich sollte dich
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