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Serafina – Das Königreich der Drachen: Band 1 (German Edition)

Serafina – Das Königreich der Drachen: Band 1 (German Edition)

Titel: Serafina – Das Königreich der Drachen: Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Hartman
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dass ich –« Ein Gähnen, das einem Riesen alle Ehre gemacht hätte, ließ meine Widerrede wenig glaubhaft erscheinen.
    »Natürlich bist du müde. Aber heute Abend, im Blauen Salon, musst du wieder ganz bei Kräften sein, und ich weiß nicht, ob du aufmerksam genug gewesen bist, um richtig niederzuschreiben, was ich dir gerade diktiert habe.« Er überflog das Pergamentblatt, auf das ich seine Kompositionsideen notiert hatte, während er sie vor sich hin summte. Seine Brauen zogen sich zusammen und er lief rot an. »Du hast es im Dreivierteltakt notiert! Das ist eine Gavotte. Die Tänzer werden über ihre eigenen Füße fallen.«
    Ich wollte ihm antworten, aber da stand ich schon vor dem Sofa. Ich legte mich hin, und die Erklärung, die ich auf den Lippen hatte, geriet zu einem Traum, in welchem Sankt Polypous eine Gavotte im Dreivierteltakt mit vollendeter Leichtigkeit tanzte. Aber andererseits hatte er ja auch drei Füße.
    An diesem Abend erschien ich frühzeitig im Blauen Salon in der Hoffnung, dass ich meine Aufwartungen machen, Viridius’ Wunderschüler kennenlernen und dann wieder gehen könnte, ehe die meisten der Leute überhaupt eingetroffen waren. Mein schöner Plan erwies sich als Fehlschlag, denn Viridius war noch gar nicht da. Natürlich nicht. Wahrscheinlich würde er erst spät kommen, der eitle Laffe. Ich würde keine Lorbeeren ernten, wenn ich mich davonstahl, ehe er eintraf. Alles was ich erreicht hatte, war, dass ich nun länger Gelegenheit bekam, mich unbehaglich zu fühlen.
    Auf Gesellschaften war ich einfach fehl am Platz, und das ging mir schon so, als ich noch gar nicht wusste, wie viel ich zu verbergen hatte. Die unzähligen Menschen, die ich nur flüchtig kannte, bewirkten, dass ich mich in mich selbst zurückzog. Ich sah schon, wie ich den ganzen Abend in einer Zimmerecke stand und mich mit Buttergebäck vollstopfte.
    Nicht einmal Glisselda war da, so unzeitig früh war ich erschienen. Diener zündeten die Kandelaber an, strichen die Tischtücher auf den Kredenztischchen glatt und warfen mir dabei verstohlene Blicke zu. Ich schlenderte durch den Salon, vorbei an den vergoldeten Säulen und den Polsterstühlen, auf denen man sittsam saß, bis zu der großen, mit Parkett ausgelegten Tanzfläche. In einer Ecke stapelten sich Notenständer und Stühle. Ich stellte sie für ein Quartett auf und hoffte, damit etwas Nützliches und nicht bloß etwas Verrücktes zu tun.
    Fünf Musiker kamen – Guntard, zwei Geigen, zwei irische Dudelsäcke und eine Pauke –, und ich stellte rasch einen fünften Stuhl auf. Sie schienen erfreut zu sein, mich hier anzutreffen, und wirkten nicht sonderlich überrascht, die Musikmamsell zu sehen, wie sie Stühle und Notenständer arrangierte. Vielleicht konnte ich den Abend über bei ihnen in der Ecke stehen, die Noten umblättern und ihnen Bier bringen.
    Besser gesagt Wein. Wir waren hier im Palast, nicht im Albernen Affen .
    Nach und nach trudelten auch die Höflinge in all ihrem Glanz aus Seide und Brokatstoff ein. Ich hatte mein bestes Gewand angezogen, es war aus dunkelblauem glänzenden Calamanco und an den Säumen dezent bestickt, aber was in der Stadt elegant war, sah hier schäbig aus. Ich drückte mich gegen die Wand und hoffte, dass mich niemand ansprechen würde. Einige der Höflinge kannte ich, denn neben Guntard und den fest angestellten Musikanten versuchten sich auch immer wieder junge Herrschaften als Musiker bei Hof. Meistens sangen sie im Chor, aber der blonde Samsamese, der mir gegenübersaß, mühte sich auf der Viola da Gamba ab.
    Er hieß Josef, Graf von Apsig. Als er meinen Blick bemerkte, fuhr er sich mit der Hand durch sein weizenblondes Haar, als wolle er mir vor Augen führen, wie gut aussehend er war. Ich blickte weg.
    Die Samsamesen waren allgemein als anspruchslose Menschen bekannt, aber selbst sie übertrafen mich, was ihre Gewänder anging. Die Kaufleute von dort traf man in der Stadt nur in schlichtem Braun gekleidet an, die Höflinge hingegen trugen edles Schwarz und verbanden auf diese Weise Pracht und würdiges Aussehen. Für den Fall, dass die Goreddi ihre teure Kleidung nicht auf den ersten Blick als solche erkannten, trugen die Samsamesen üppige Spitze an den Ärmelsäumen und steife weiße Rüschenkrägen.
    Die Höflinge aus Ninys hingegen schwelgten in Farben: sie trugen Stickereien, Bänder, bunte Kniestrümpfe, und zwischen den Ärmelschlitzen leuchtete kostbare Seide hervor. Ihr Land lag tief im trostlosen Süden;

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