Serafina – Das Königreich der Drachen: Band 1 (German Edition)
waren ihre Augen weit aufgerissen. »Wem verdanken wir diese, ähm …«
»Einem Friedensschluss, der vor beinahe vierzig Jahren unterzeichnet worden ist«, antwortete die Königin, die förmlich zu wachsen schien, als sie sich an den ganzen Saal wandte. »War es ein Irrtum von mir, anzunehmen, dass sich unsere beiden Völker aneinander gewöhnen würden, wenn die Kriege erst einmal aufgehört haben? Sind wir denn wie Öl und Wasser, dass wir uns gegenseitig nicht vertragen können? War es leichtfertig von mir, zu erwarten, dass Vernunft und Anstand herrschen, hätte ich lieber meine Ärmel hochkrempeln und sie erzwingen sollen?«
Die Menschen blickten verlegen drein und auch den Drachen war unbehaglich zumute.
»Glisselda, kümmere dich um unsere Gäste!«, rief die Königin herrisch, dann verließ sie den Salon.
Glisselda blieb sichtlich erschüttert zurück. Prinz Lucian, der neben mir stand, murmelte nervös: »Komm schon, Selda.« Sie konnte ihn unmöglich gehört haben, doch sie hob den Kopf und versuchte ebenso selbstbewusst aufzutreten wie ihre Großmutter. Sie ging auf Eskar zu und küsste sie auf beide Wangen. Die kleine Prinzessin musste sich dazu auf die Zehenspitzen stellen. Eskar ließ es gnädig zu, neigte den Kopf und jedermann klatschte Beifall.
Die Abendgesellschaft vergnügte sich weiter, während die Saarantrai auf der einen Seite des Saals wie scheue Tiere beisammenstanden und ihre Glöckchen traurig bimmelten. Die umherschlendernden Gäste machten einen weiten Bogen um sie.
Ich hielt mich ebenfalls fern. Eskar kannte mich zwar, aber ich wollte nicht riskieren, dass die anderen mich rochen. Ich war mir nicht sicher, wie sie sich verhalten würden. Bestenfalls hielten sie mich für eine Gelehrte, die keine Glocke zu tragen brauchte, vielleicht wäre Eskar aber auch so taktlos, meine Herkunft lauthals zu verkünden, sodass alle im Raum es hörten.
Nein, das würde sie nicht tun. Orma hatte mir gesagt, dass eine Verbindung zwischen Mensch und Drache so sehr gegen jedes Ard verstößt, dass kein Drache auf die Idee käme, es könnte jemanden wie mich geben, geschweige denn, dass er so etwas laut ausspräche.
»Du traust dich nicht, sie zum Tanz aufzufordern«, sagte ein Edelmann hinter mir und riss mich aus meinem Gedanken. Einen Moment lang dachte ich, er meinte damit mich.
»Welche denn?«, dröhnte der unvermeidliche Graf von Apsig.
»Du hast die Wahl«, lachte sein Freund.
»Nein, ich meine, woher weiß man, wer eine Sie ist? Die sehen doch alle wie Kerle aus.«
Bei diesen Worten sträubten sich mir die Nackenhaare. Aber warum eigentlich? Sie sprachen ja nicht über mich – oder aber doch, irgendwie.
»Das Schwierige an diesen Lindwurmweibern«, sagte Josef, »sind ihre unvorteilhaften Beißer.«
»Beißer?«, fragte sein Freund, der anscheinend schwer von Begriff war.
Ich spürte, wie mein Gesicht zu glühen begann.
»Zähne«, wurde Josef deutlicher. »Und zwar an den falschen Stellen, wenn du verstehst, was ich meine.«
»Zähne an den falschen … Oh! Autsch!«
»Autsch ist noch gelinde ausgedrückt, mein Freund. Und die Männer sind um keinen Deut besser. Stell dir eine Harpune vor! Sie tun nichts lieber, als unsere Frauen aufzuspießen und ihnen –«
Ich hielt es nicht mehr aus, sondern flüchtete. Ich umrundete die Tanzfläche, bis ich endlich vor einem Fenster stand. Zittrig öffnete ich es, ich brauchte dringend frische Luft. Mit geschlossenen Augen dachte ich ganz fest an meinen abgeschiedenen Garten, bis meine Verwirrung wich und dem Kummer Platz machte.
Es war nur ein dummer Scherz unter zwei Edelleuten gewesen, aber in ihm schwangen all jene Scherze mit, die sie über mich machen würden, wenn sie Bescheid wüssten.
Der verflixte Viridius. Ich konnte keine Sekunde länger bleiben. Morgen würde ich ihm sagen, dass ich hier gewesen war, es gab ja Zeugen. Aber als hätten sich alle Schutzheiligen der Komödianten gegen mich verschworen, begegnete mir der alte Mann an der Tür, als ich gerade hinausgehen wollte. Mit seinem Krückstock schnitt er mir den Weg ab. »Du willst doch nicht etwa schon gehen, Serafina!«, rief er. »Es ist noch nicht einmal zehn.«
»Es tut mir leid, Sir, ich …« Meine Stimme stockte. Hilflos zeigte ich auf das Gedränge und hoffte, niemand würde meine Tränen sehen.
»Lars kommt auch nicht. Er ist genauso schüchtern wie du«, sagte Viridius auffallend milde. »Hast du der Prinzessin und dem Prinzen deine Aufwartung gemacht? Nein?
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