Serafina – Das Königreich der Drachen: Band 1 (German Edition)
»Würdet Ihr mit mir eine Galliarde tanzen?«
Eskar ließ ihren Blick über die Menge schweifen, als suchte sie nach dem Urheber dieses Streichs, doch dann sagte sie: »Ich denke, das sollte ich tun.« Sie nahm seinen Arm; ihr roter Kaftan aus Ziziba hob sich grell gegen sein scharlachrotes Wams ab. Alle atmeten erleichtert auf.
Ich blieb noch ein paar Minuten, um ihnen beim Tanzen zuzusehen, und schmunzelte in mich hinein. Er war möglich, dieser Frieden. Man musste ihn nur wollen. Im Stillen war ich Prinz Lucian für seine Entschiedenheit dankbar. Ich erhaschte Viridius’ Blick von der anderen Seite des Saales aus. Er schien mich verstanden zu haben und gab mir ein Zeichen, dass ich gehen dürfte. Ich wandte mich um, froh darüber, zu etwas Gutem beigetragen zu haben, vor allem jedoch, dass ich die Menge und ihr Geplapper hinter mir lassen konnte. Die Beklemmung – oder die Aussicht, sie loszuwerden – trieb mich Richtung Tür wie eine Luftblase, die an die Wasseroberfläche will. Draußen im Gang hoffte ich frei atmen zu können.
Ich legte eine solche Hast an den Tag, dass ich um ein Haar mit Lady Corongi, Glisseldas Erzieherin, zusammengestoßen wäre.
Acht
L ady Corongi war eine zierliche Dame, alt und altmodisch gekleidet. Ihr Dreieckstuch war gestärkt und ihr schon seit Jahrzehnten aus der Mode gekommener Kaskadenschleier war so mit Draht in Form gebracht, dass sie jemandem damit die Augen hätte ausstechen können. Ihre Hände verschwanden völlig unter den überlangen Ärmeln, was das Essen oder das Schreiben zu einer echten Herausforderung für sie machte, aber sie gehörte der alten Schule an, wo beschwerliche Rituale als höchste Tugend galten. Kleidung, die ihr die einfachsten Handgriffe erschwerten, boten ihr mehr Möglichkeiten, umständlich herumzufummeln.
Sie stierte mich entrüstet unter ihrem Schleier hervor an und verzog ihren verkniffenen Mund, als sie missbilligend die geschminkten Lippen schürzte. Sie sagte kein Wort, ich war diejenige, die sich entschuldigen musste, da ich ja eindeutig die Person war, der es an Anstand fehlte.
Ich knickste so tief, dass ich beinahe das Gleichgewicht verloren hätte. Sie verdrehte die Augen angesichts meiner Tollpatschigkeit. »Ich bitte untertänigst um Verzeihung, Mylady«, sagte ich.
»Ich bin erstaunt, dass ein unerzogenes Äffchen wie du so freiweg in den Korridoren herumhüpfen darf«, schnaubte sie. »Hast du kein Herrchen? Keine Leine?«
Ich hatte gehofft, mit ihr über die Erziehung der Prinzessin sprechen zu können. Dass Glisselda so eingeschüchtert von der Begegnung mit den Saarantrai gewesen war, hatte meinen Wunsch, darüber zu sprechen, nur verstärkt, aber jetzt war ich selbst eingeschüchtert.
Lady Corongi verzog spöttisch die Lippen und eilte an mir vorbei, indem sich mich mit einem heftigen Ellbogenstoß aus dem Weg schubste. Nach zwei Schritten wandte sie sich wieder um. »Wie sagtest du, war dein Name?«
Ich machte hastig einen Knicks. »Serafina, Mylady. Ich unterrichte Prinzessin Glisselda auf dem –«
»Cembalo. Ja, Glisselda hat von dir gesprochen. Sie sagte, du wärst klug.« Sie kam zurück und baute sich vor mir auf. Dann hob sie ihren Schleier und betrachtete mein Gesicht sehr genau mit ihren scharfen blauen Augen. »Setzt du ihr deshalb so viel Unsinn über Drachen in den Kopf? Weil du so überaus klug bist?«
Nun hatte sie von ganz allein jenes Thema angesprochen, über das ich mit ihr reden wollte. Ich versuchte, sie zu besänftigen. »Das hat nichts mit Klugheit zu tun, Mylady. Es ist wohl eher eine Frage, wie viel man über Drachen weiß. Wie Ihr vielleicht gehört habt, ist mein Vater der Berater der Krone in allen Vertragsfragen mit Comonot. Ich selbst hatte viele Jahre lang einen Drachen als Erzieher. Ich habe einige Einblicke gewonnen –«
»Dass uns die Drachen für bloßes Ungeziefer halten – nennst du das Einblick?« Sie war mir nahe genug, dass ich die zerlaufene Schminke in dem runzeligen Gesicht sehen konnte und mir ihr widerlich süßliches Parfüm aus Ninys in die Nase stieg. »Ich will der Thronerbin Zuversicht vermitteln, ich will, dass sie stolz ist auf ihr Volk und auf dessen Sieg über die Drachen.«
»Das ist keine Zuversicht, das ist Verachtung«, entgegnete ich heftig. »Ihr hättet vorhin sehen sollen, wie sehr sie sich fürchtete, mit den Saarantrai zu sprechen. Sie ist von ihnen angewidert und hat Angst vor ihnen. Eines Tages wird sie Königin sein und dann wird sie sich beides
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