Serafina – Das Königreich der Drachen: Band 1 (German Edition)
nicht leisten können.«
Lady Corongi formte mit Daumen und Zeigefinger einen Ring und drückte die Hand ans Herz: das Zeichen von Sankt Ogdo. »Wenn sie einst, so der Himmel will, Königin ist, dann werden wir diesen Zwist so beilegen, wie es sich schon vor Jahren gehört hätte, und nicht länger wie feige Memmen verhandeln.«
Nach diesen Worten drehte sie sich auf dem Absatz um und stolzierte in den Blauen Salon.
Mein Zusammentreffen mit Lady Corongi hatte mich aufgewühlt. Ich kehrte in meine eigenen Räume zurück und übte auf dem Spinett und der Laute, um mich zu beruhigen.
Erst viele Stunden später ging ich, immer noch nicht müde, ins Bett.
Ich musste mich um meinen Garten kümmern, aber das konnte ich auch im Liegen tun. Die Hälfte der Grotesken hatte sich schon schlafen gelegt. Sogar Flederchen rekelte sich traumverloren. Ich schlich mich auf Zehenspitzen an ihm vorbei und ließ ihn in Ruhe.
Im Rosengarten beobachtete ich eine Zeit lang Madame Pingelig, die mit einer winzig kleinen Armbrust Blattläuse von den Rosensträuchern schoss. Ich hatte ihr Auftauchen auf der Abendgesellschaft fast schon vergessen gehabt, aber mein Unterbewusstsein erinnerte sich noch daran. Jetzt trug sie das grüne Samtkleid vom Blauen Salon, und sie selbst schien mit einem Mal viel deutlicher zu sein, ihre Konturen klarer, ihre Statur gedrungener und kräftiger. War dies der Beweis, dass ich sie gesehen hatte, oder glaubte ich nur, sie gesehen zu haben?
Wenn ich sie jetzt bei den Händen nähme, was würde dann passieren? Falls sie noch im Blauen Salon wäre, würde ich es sofort erfahren. Ich verspürte einen Anflug von Schuld, dass ich ihr nachspionierte, aber meine Neugier behielt die Oberhand. Ich musste es einfach wissen.
Madame Pingelig gab mir gar nicht pingelig die Hand. Eine Vision heraufzubeschwören war, wie in einen Strudel gesogen zu werden, der mich gleich darauf wieder in die Welt hinausspie …
Der schwach beleuchtete Raum, den ich mit meinem inneren Auge sah, war nicht der Blaue Salon, was mich allerdings nicht sonderlich wunderte. Inzwischen waren mehrere Stunden vergangen, sie war vielleicht schon nach Hause gegangen. Ich befand mich in einem ordentlich aufgeräumten Boudoir: wuchtige, etwas altmodische Schnitzmöbel, ein (leeres) Himmelbett, Bücherregale, eine seltsame Statue, alles war nur von dem Feuerschein im Kamin erhellt. Das Zimmer sah nicht aus wie einer der Räume im Palast, aber vielleicht hatte sie ja ein Haus in der Stadt.
Aber wo war sie?
»Wer ist da?«, fragte eine Stimme so unvermittelt, dass ich vor Schreck beinahe aus der Vision katapultiert worden wäre.
Das, was ich für eine Statue gehalten hatte, bewegte sich langsam, den Arm ausgestreckt tastete sie im Leeren, als ob sie blind wäre oder nach etwas Unsichtbarem suchte.
»Ich weiß nicht, wer du bist«, knurrte die alte Frau direkt unter mir, »aber du hast die Wahl: Gib dich freiwillig zu erkennen, andernfalls werde ich dich dazu zwingen. Und glaub mir, Letzteres würde dir gar nicht gefallen. Mir ist es egal, ob es mitten in der Nacht ist. Ich werde dich aufspüren und dann wird es dir bitter leid tun.«
Ich hatte sie nicht sofort wiedererkannt und auch jetzt hatte ich meine Zweifel. Ich schob es auf den Feuerschein, aber es lag nicht nur an dem spärlichen Licht. Sie war irgendwie verändert.
Unbekleidet sah sie viel dünner aus als in ihren Gewändern, beinahe hätte man sie knabenhaft nennen können. War ihr stattlicher Busen ausgepolstert gewesen? Ich hatte sie überrascht, gerade als sie zu Bett gehen wollte, und obwohl ich verlegen war, brachte ich es nicht fertig, auch nur zu blinzeln oder meinen Blick von ihr abzuwenden. Man hätte erwarten können, dass eine so hochstehende Dame eine Kammerzofe hatte, die ihr beim An- und Auskleiden half, falsche Brüste hin oder her.
Dann sah ich etwas – und der Schreck katapultierte mich tatsächlich aus der Vision hinaus und zurück in mein eigenes Ich.
Ich hatte das Gefühl, als würde ich aus großer Höhe in mein Bett fallen. Mir war schwindelig, ich wusste nicht, wo ich war und was ich denken sollte.
Sie hatte einen Schwanz, einen stummeligen, mit silbernen Schuppen bedeckten Schwanz.
Schuppen, wie auch ich sie hatte.
Ich zog mir die Decke über den Kopf und lag zitternd in meinem Bett, entsetzt über das, was ich gesehen hatte, und noch mehr entsetzt über mein eigenes Entsetzen, und ganz und gar außer mir wegen der Konsequenzen, die sich daraus
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