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Serafina – Das Königreich der Drachen: Band 1 (German Edition)

Serafina – Das Königreich der Drachen: Band 1 (German Edition)

Titel: Serafina – Das Königreich der Drachen: Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Hartman
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roch nach Eisen. Ich war ihr eine Erklärung schuldig, vielleicht sogar die Wahrheit. Sie war ein Zwitterwesen wie ich und kam sich vermutlich ebenso einsam und verlassen vor. Ich könnte ihr sagen, dass sie nicht alleine war; ich müsste dazu nur meinen Ärmel hochkrempeln und ihr meine Schuppen zeigen.
    Diesen Augenblick hatte ich herbeigesehnt, aber nun, da er gekommen war, versagte mir die Stimme. Die Wucht meines Vorhabens raubte mir den Mut. Ich brachte es nicht fertig. Etwas hielt mich davon ab. Vielleicht würde der Himmel einstürzen. Vielleicht würde ich in Flammen aufgehen, sobald ich den Ärmel hochschob.
    Der Ärmel meines Unterhemds war nicht zugebunden. Ich hob den Arm und ließ den Stoff bis zum Ellbogen hinunterrutschen.
    Sie riss Augen und Mund auf, und einen atemlosen Moment lang dachte ich, die Zeit würde stillstehen.
    Sie starrte mich glupschäugig an und schwieg so lange, dass ich mich zu fragen begann, ob ich wirklich gesehen hatte, was ich erkannt zu haben glaubte. Vielleicht war es nur eine Sinnestäuschung gewesen. Oder ich sehnte mich so sehr nach einer Verwandten, dass ich es mir nur eingebildet hatte. Ich ließ den Arm sinken und bedeckte ihn beschämt.
    »Ich fasse es nicht«, sagte sie schließlich. »Es gibt keine anderen. Das muss ein Trick sein.«
    »Ich versichere Euch, das ist es nicht. Ich bin, ähm, so wie Ihr.« Sie selbst hatte das Wort Halbdrache nicht verwendet, und ich schämte mich absurderweise, es laut auszusprechen.
    »Ich soll dir glauben, dass du einen Schwanz hast?«, fragte sie und reckte den Hals, um mich von hinten zu sehen.
    »Nein.« Ihr durchdringender Blick machte mich verlegen. »Nur Schuppen am Arm und um die Taille.«
    Ihr Mund verzog sich zu einem spöttischen Lächeln. »Ich nehme an, du bedauerst dich entsetzlich.«
    Mein Gesicht begann zu glühen. »Es ist vielleicht nicht so eindrucksvoll wie ein Schwanz, aber ich –«
    »Ach ja, du Ärmste. Dir fällt es bestimmt schwer, dich hinzusetzen, und du brauchst bestimmt maßgeschneiderte Kleider, damit es aussieht, als hättest du einen normalen menschlichen Körper. Du hast sicher eine halbe Ewigkeit lang gedacht, du wärst allein auf der Welt. Oh nein, tut mir leid, ich spreche ja von mir.«
    Es war wie ein Schlag ins Gesicht. Was auch immer ich von ihr erwartet hatte – Feindseligkeit jedenfalls nicht.
    Ihr Blick war unerbittlich. »Das erklärt aber noch lange nicht, warum du anderen Leuten nachspionierst.«
    »Das tue ich nicht mit Absicht. Ich habe Visionen. Aber in der Regel bemerkt niemand in diesen Visionen meine Anwesenheit.« Mehr sagte ich nicht. Sie musste nicht wissen, dass ich diese Visionen mit Absicht herbeiführen konnte. Sollte sie ruhig denken, dass sie etwas Besonderes war, weil sie ungerufen in meinem Kopf auftauchen und mich dann sehen konnte.
    Ich würde sie nicht noch einmal freiwillig beobachten. Ich hatte meine Lektion gelernt.
    Ihre Bitterkeit wich ein wenig, anscheinend ärgerte sie sich über meine geistigen Eigenheiten nicht so sehr wie über meine Schuppen. »Ich habe etwas Ähnliches«, gab sie zu. »Ich kann die unmittelbare Zukunft voraussehen. Im Grunde genommen ist es mehr oder weniger nur die Fähigkeit, zur rechten Zeit am rechten Ort zu sein.«
    »Habt Ihr das vorhin gemeint, als Ihr von Eurem Bauch gesprochen habt?«, fragte ich aufs Geratewohl.
    Sie legte die Hand auf die gepolsterte Wölbung ihres Bauchs. »Das ist keine Zauberei, es ist eher wie eine Magenverstimmung. Für gewöhnlich sind die Hinweise eher unbestimmt und schlicht – kehre um, nimm dich in Acht vor Austern –, aber jetzt hatte ich ein sehr präzises Gefühl, dass ich denjenigen finden würde, dem diese unsichtbaren Augen gehören.« Sie beugte sich zu mir, ihr mürrischer Gesichtsausdruck ließ die Falten um ihren Mund noch tiefer erscheinen. »Mach es nicht noch mal.«
    »Ich gebe Euch mein Wort!«, piepste ich.
    »Ich ertrage es nicht, wenn du in meinem Kopf herumtrampelst.«
    Ich musste an Flederchen denken und an Jannoula und verspürte ein bisschen Mitleid mit ihr. »Wenn es Euch beruhigt, ich kann die Menschen nur von oben sehen, wie ein Spatz aus der Luft. Ich kann keine Gedanken lesen – sonst würde ich Euren Namen kennen.«
    Ihre Miene entspannte sich ein wenig. »Ich bin Dame Okra Carmine«, sagte sie mit einer leichten Verbeugung. »Ich bin die Botschafterin aus Ninys.«
    Ihr Zorn schien restlos verflogen zu sein. Sie stand auf und wollte gehen. Sie hatte schon die Hand auf die

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