Serafina – Das Königreich der Drachen: Band 1 (German Edition)
wissen? Er hatte blaue Augen, was für einen Saar ungewöhnlich ist, aber nicht für einen Südländer. Und blonde Haare kann man leicht färben.«
»Würde Imlann genauso wenig auffallen wie Linn?«, fragte ich. »Hat er höfische Manieren oder ist er so musikalisch wie seine Kinder? Wohin würde er gehen, um nicht erkannt zu werden?«
»Am wenigsten würde er als Soldat auffallen. Er könnte sich aber auch am Königlichen Hof aufhalten. Andererseits weiß er, dass ich genau das annehmen würde. Deshalb wird er sich irgendwo aufhalten, wo ihn niemand vermutet.«
»Wenn er bei der Begräbnisfeier war und dich gesehen hat, ohne dass du ihn entdeckt hast, dann stand er höchstwahrscheinlich …«
Bei allen Hunden im Himmel. Orma war immer mitten im Trubel gewesen. Ich hatte ihn vom Chorgewölbe aus gesehen, man hätte von jedem anderen Winkel der Kathedrale seine hochgewachsene Gestalt erspähen können.
Orma sah mich scharf an. »Denk ja nicht dran, Imlann auf eigene Faust zu suchen. Er könnte dich töten.«
»Er weiß doch gar nicht, dass es mich gibt.«
»Er muss nichts von dir wissen, um dich zu töten«, erwiderte Orma. »Es reicht schon, wenn er annimmt, dass du ihn abhalten willst, seine Pläne umzusetzen.«
»Verstehe«, sagte ich und lächelte schief. »Besser Prinz Lucian Kiggs gerät ins Visier als ich.«
»Ganz genau!«
Er sagte es so entschieden, dass ich unwillkürlich einen Schritt zurückwich. Ein ganz unerwartetes Gefühl schnürte mir die Kehle zu.
Jemand klopfte an die angelehnte Tür. Ich hob die Tür beiseite und rechnete damit, dass einer der Mönche aus der Bibliothek vor mir stünde.
Aber draußen wartete Basind, der missgestaltete Schlupfling; er schnaufte laut durch den Mund und schielte entsetzlich. Ich trat einen Schritt zurück und hielt die Tür wie einen Schild vor mich. Er quetschte sich an mir vorbei, bimmelnd wie ein Allerheiligenkranz, stolperte über einen Stapel Bücher und sah sich ungeniert im Raum um.
Orma sprang auf. »Saar Basind«, fragte er, »was führt dich nach Sankt Ida?«
Basind kramte in seinem Hemd, dann in seinen Hosentaschen, schließlich fand er den zusammengefalteten Brief, der an Orma adressiert war. Orma überflog das Schreiben, dann reichte er es mir. Ich stellte die Tür wieder zurück, nahm den Brief mit zwei Fingern und las:
Orma, du erinnerst dich gewiss an Saar Basind. Wir hier in der Botschaft können ihn nicht brauchen. Anscheinend war der Ardmagar Basinds Mutter einen Gefallen schuldig, weil sie ihren Mann an ihn verriet, der heimlich Schätze gehortet hatte. Sonst hätte Basind wohl nie in den Süden kommen dürfen. Er braucht Nachhilfeunterricht in menschlichem Benehmen. Angesichts deiner Familiengeschichte und deines unauffälligen Verhaltens scheint mir, dass du der beste Lehrer für ihn bist.
Widme ihm so viel Zeit, wie du erübrigen kannst, und denke daran, dass du es dir nicht erlauben kannst, diese Bitte abzuschlagen. Insbesondere solltest du darauf hinwirken, dass er seine Kleider in der Öffentlichkeit anbehält. Es ist in der Tat sehr schlimm um ihn bestellt.
Alles in Ard, Eskar.
Orma zeigte keinerlei Bestürzung, deshalb übernahm ich es an seiner Stelle und seufzte: »Beim Galan des Sankt Daan!«
»Offensichtlich wollen sie ihn aus dem Weg haben, solange sie sich auf die Ankunft des Ardmagar vorbereiten«, sagte Orma gleichmütig. »Das ist vernünftig.«
»Aber was willst du mit ihm anfangen?« Ich dämpfte meine Stimme, für den Fall, dass jemand auf der anderen Seite der Bücherregale lauschte. »Du tust alles, um keine unnötige Aufmerksamkeit zu erregen, aber wie willst du dann erklären, dass du einen Schlupfling am Hals hast?«
»Mir wird schon etwas einfallen.« Er nahm Basind vorsichtig ein Buch aus der Hand und legte es auf eines der oberen Bücherregale. »Zu dieser Jahreszeit könnte ich wegen einer Lungenentzündung zu Hause bleiben müssen.«
Ich wollte nicht in den Palast zurückkehren, ohne ganz sicher zu sein, dass es ihm gut ging, und erst recht wollte ich ihn nicht mit dem Schlupfling alleine lassen, aber Orma blieb eisern. »Du hast eine Menge Dinge zu erledigen«, sagte er und hob die Tür beiseite. »Und du hast eine Verabredung mit Prinz Lucian Kiggs, wenn ich mich recht entsinne.«
»Ich hatte gehofft, du würdest mir Musikunterricht geben«, nörgelte ich.
»Ich kann dir eine Hausaufgabe geben.« Er nahm meine Sorge gar nicht zur Kenntnis, was mich in Rage brachte. »Sieh dir in Sankt Gobnait
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