Serafina – Das Königreich der Drachen: Band 1 (German Edition)
»dass mein Vater ein bedeutender General gewesen ist. Er war mit Ardmagar Comonot nicht immer derselben Meinung, aber seine Ergebenheit und sein Ruhm standen außer Frage. Nachdem Linn …« Er verstummte, brachte es nicht über die Lippen zu sagen »sich verliebt hat«. Der Satz war zu schrecklich, um ihn zu Ende zu bringen. »Plötzlich hat man unseren Vater überwacht, alles, was er tat, wurde auf die Goldwaage gelegt, jede seiner Äußerungen zerpflückt. Plötzlich drückten sie auch wegen seines Schatzes und seiner gelegentlichen Widerspenstigkeit kein Auge mehr zu.«
»Er ist geflohen, bevor die Untersuchung gegen ihn begonnen hat, nicht wahr?«, fragte ich.
Orma nickte, sein Blick war auf das Goldstück gerichtet. »Comonot hat ihn in Abwesenheit verbannt; seither hat ihn niemand mehr gesehen. Er wird immer noch gesucht, weil er Unruhen gegen die Reformen des Ardmagar geschürt hat.«
Seine mühsam aufrechterhaltene Gelassenheit brach mir das Herz, aber als Mensch gab es nichts, was ich hätte tun können, um ihm zu helfen. »Und was soll dir die Münze nun sagen?«, fragte ich.
Orma blickte mich über den Rand seiner Brillengläser an, als wäre dies die unsinnigste Frage der Welt. »Er ist in Goredd. Da kannst du Gift darauf nehmen.«
»Wurde sein Schatz nicht dem des Hohen Ker einverleibt?«
Er zuckte mit den Schultern. »Wer weiß, was dieser gerissene Saar in letzter Sekunde noch alles mitnehmen konnte.«
»Könnte nicht jemand anderes die Münze geschickt haben? Die Zensurbehörde zum Beispiel, um zu sehen, wie du darauf reagierst?«
Orma spitzte die Lippen und schüttelte energisch den Kopf. »Nein, es war schon unser Erkennungszeichen, als ich noch ein Kind war. Genau diese Münze. Sie diente als Mahnung, mich in der Schule gut zu betragen. Mach uns keine Schande , sollte sie bedeuten. Denk an deine Familie .«
»Und was könnte sie jetzt und hier bedeuten?«
Sein Gesicht war schmaler als je zuvor. Der falsche Bart passte ihm noch weniger als sonst, er hatte sich nicht die Mühe gemacht, ihn richtig anzukleben. Orma seufzte. »Ich nehme an, Imlann war beim Begräbnis und fürchtet nun, dass ich ihn entdeckt habe, was allerdings nicht stimmt. Er will mir damit zu verstehen geben, dass ich ihm aus dem Weg gehen soll, so tun soll, als würde ich seinen Saarantras nicht erkennen, wenn ich ihn sehe, und dass ich ihn tun lassen muss, was seine Ehre von ihm verlangt.«
Ich verschränkte die Arme, im Zimmer schien es plötzlich kälter zu sein. »Was will er denn tun? Und was noch wichtiger ist, wem? Will er dem Mann etwas tun, der seine Tochter geheiratet hat? Oder ihrem Kind?«
Ormas braune Augen wurden größer hinter seinen Brillengläsern. »Darauf bin ich noch gar nicht gekommen. Für dich selbst musst du nichts fürchten, er glaubt, dass Linn kinderlos gestorben ist.«
»Und mein Vater?«
»Imlann hat es nie gestattet, dass man den Namen deines Vaters in seiner Gegenwart aussprach. Die bloße Existenz deines Vaters war ein Verstoß gegen jede Ard und sie wurde von allen heftig abgestritten.«
Orma zupfte einen Fussel von seiner Wollhose; darunter trug er seidene Unterwäsche, sonst hätte er sich ständig kratzen müssen wie ein flohgeplagter Hund. »Wer weiß, was Imlann in den vergangenen sechzehn Jahren in seinem Kopf ausgebrütet hat«, sagte er. »Er hat ja keinen Grund, sich an die Gesetze zu halten oder sich mit seinen menschlichen Gefühlen abzuplagen. Selbst von mir, der ich beständig überwacht werde und darum besonders gesetzestreu sein muss, fordert die menschliche Existenz ihren Tribut. Früher glaubte ich viel genauer zu wissen, wo der Wahnsinn beginnt.«
»Wenn er, wie du sagst, nicht hinter Papa oder mir her ist, hinter wem dann? Weshalb ist er hergekommen?«
»Und das so unmittelbar vor Comonots Besuch.« Er sah mich über die Brillenränder hinweg bedeutungsvoll an.
»Ein Mordkomplott?« Er machte riesige Gedankensprünge, und ich nicht minder. »Denkst du, er führt etwas gegen den Ardmagar im Schilde?«
»Ich denke, es wäre töricht von uns, die Augen zu verschließen und so zu tun, als wäre nichts geschehen.«
»Wenn das so ist, dann musst du Prinz Lucian und der Wache von all dem berichten.«
»Ah. Genau das ist das Problem.« Er lehnte sich zurück und tippte sich mit der Münze an die Zähne. »Das kann ich nicht. Ich sitze zwischen zwei Stühlen, wie ihr Menschen es nennt. Ich bin zu sehr in die Sache verstrickt. Ich fürchte, ich bin nicht in der Lage,
Weitere Kostenlose Bücher