Serafina – Das Königreich der Drachen: Band 1 (German Edition)
Antwort auf seine unausgesprochene Frage. Ich schwieg und machte stattdessen einen Knicks. Er geriet dürftig, denn ich presste die Arme so fest gegen meine Taille, dass ich mich fast nicht verbeugen konnte.
»Sie hieß Amaline Ducanahan, nicht wahr?«, fragte er und betrachtete aufmerksam mein Gesicht. »Ich habe, als ich jung war, Nachforschungen angestellt; ich war von der geheimnisumwitterten ersten Ehe deines Vaters fasziniert, von der niemand etwas gehört hatte, bis du plötzlich bei seiner Wiederverheiratung mit Anne-Marie wie ein Kuckuckskind aus dem Nichts auftauchtest. Ich war nämlich damals bei den Hochzeitsfeierlichkeiten zugegen und habe dich dort als kleines Mädchen singen gehört.«
Ich hatte das Gefühl, von Kopf bis Fuß zu Eis zu erstarren, nur mein Herz klopfte wie wild, und die Schatulle mit den Erinnerungen bockte wie ein widerspenstiges Füllen.
»Das war das erste Geheimnis, das ich zu lösen versuchte: Wer war das singende Mädchen und warum war Rat Dombegh so verlegen, als sie in Erscheinung trat?«, sagte er und hing seinen Erinnerungen nach. Nur ein Dampfwölkchen in der Luft verriet sein lautloses Lachen. Er schüttelte den Kopf und staunte noch jetzt über die Vorstellungen, die er in seiner Jugend gehabt hatte. »Es ließ mir keine Ruhe, bis ich die Wahrheit herausgefunden hatte. Vielleicht hoffte ich insgeheim, dass auch du ein uneheliches Kind warst. Aber nein, alles war in bester Ordnung. Herzlichen Glückwunsch!«
Natürlich war alles in Ordnung. Mein Vater in seiner Besessenheit hatte nicht die kleinste Kleinigkeit übersehen – Ehevertrag, Geburts- und Sterbeurkunden, Briefe, Rechnungen …
»Bist du jemals in die Provinz Ducana zurückgekehrt?«, fragte Kiggs unvermittelt.
»Warum?« Ich konnte seinem Gedankengang nicht folgen und fühlte mich wie eine Armbrust, die gerade gespannt wurde: Alles, was er sagte, verstärkte die Anspannung noch etwas mehr.
»Um ihr Grab zu sehen. Dein Vater hat einen sehr schönen Grabstein errichten lassen. Ich habe ihn natürlich nicht mit eigenen Augen gesehen«, fügte er eilig hinzu. »Ich war damals erst neun Jahre alt. Aber einer von Onkel Rufus’ Männern stammt dort aus der Nähe, und den habe ich gefragt. Er hat die Inschrift abgepaust. Vielleicht habe ich die Zeichnung noch, wenn du möchtest, kann ich sie dir zeigen …«
Ich konnte ihm darauf nichts antworten. Dass er meine Familiengeschichte ausgeforscht hatte, schockierte mich, und ich hatte Angst, etwas Falsches zu sagen. Wie viel wusste er? Ich war bis aufs Äußerste angespannt, und das war gefährlich. Ich schwenkte die letzte weiße Flagge, die mir verblieben war. »Entschuldigt, aber ich möchte nicht über meine Mutter sprechen.«
Kiggs runzelte die Stirn. Er begriff, dass ich aufgebracht war, aber er wusste nicht, warum. Und er vermutete genau das Falsche.
»Es ist schwer, sie schon in so jungen Jahren zu verlieren. Das weiß ich nur zu gut. Aber ihr Leben war nicht vergebens, sie hat dir ein so wunderbares Erbe hinterlassen!«
Erbe? An meinem Arm, um mein Taille? Und diese Querschläger in meinem Kopf? Diese rumorende Schatulle mit Erinnerungen, die jeden Augenblick aufspringen konnte?
»Sie hat dir die Fähigkeit hinterlassen, des Menschen innerste Seele anzurühren«, sagte er freundlich. »Wie ist es, so begabt zu sein?«
»Wie ist es, ein Bastard zu sein?«, platzte es aus mir heraus.
Entsetzt schlug ich die Hand vor den Mund. Ich hatte gespürt, dass der Schuss sich lösen würde, aber nicht geahnt, dass ausgerechnet dieser Bolzen auf der Bogensehne lag, der ihn so zielsicher verletzen würde. Welcher Teil von mir hatte so genau beobachtet und dieses Wissen als Munition gehortet?
Seine Freundlichkeit war wie weggewischt, er kam mir plötzlich wie ein Fremder vor, sein Blick war ungewohnt kalt. Er nahm sofort eine Verteidigungshaltung an. Als hätte er mir einen Stoß versetzt, taumelte ich einen Schritt zurück.
»Wie es ist? So ist es«, sagte er und deutete auf den leeren Zwischenraum zwischen uns beiden. »Fast immer.«
Dann war er weg, wie vom Wind fortgetragen, und ich stand alleine im Schlosshof. Erst da fiel mir auf, dass ich nicht mit ihm über Orma gesprochen hatte. Meine Verärgerung darüber, dass ich es vergessen hatte, rückte in den Hintergrund angesichts der anderen Gefühle, die mich überfluteten. Umso krampfhafter hielt ich mich daran fest wie an einem Stück Treibholz in stürmischer See. Irgendwie trugen mich meine schmerzenden
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