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Serafina – Das Königreich der Drachen: Band 1 (German Edition)

Serafina – Das Königreich der Drachen: Band 1 (German Edition)

Titel: Serafina – Das Königreich der Drachen: Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Hartman
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ist da, der nach ihnen spielt, und du bist wie vom Erdboden verschluckt.«
    Wortlos schnappte Lars sein Instrument und lief die Treppe hinauf zur Bühne.
    Guntard feixte. »Jetzt bist du hoffentlich besser gelaunt!« Er zwinkerte vielsagend. Er dachte, wir hätten weiß der Himmel was hinter dem zugezogenen Vorhang getrieben. Unsere Lauten zusammen gestimmt, wie man unter Musikern zu sagen pflegte. Mehrstimmig geübt.
    »Würdest du dich trauen, Viridius auch so etwas zu unterstellen?«, sagte ich streng. »Mach, dass du wegkommst!«
    Lachend trollte er sich. Gerade als er sich noch einmal umdrehte, um etwas zu sagen, gab es eine laute Explosion. Zumindest hörte es sich so an.
    Es war Lars. Er spielte ein Instrument, allerdings nicht das Biniou.
    Einen Augenblick lang hatte ich allen Ernstes gedacht, er hätte das Megaharmonium mitgebracht. Tatsächlich spielte er die samsamesischen Kriegspfeifen, den größten und bombastischsten aller Dudelsäcke. Die Bewohner in den abgelegenen Siedlungen des Hochlands von Samsam hatten sie erfunden, um sich gegenseitig einzuschüchtern. Sie dröhnten wie ein grollender Berg, der seine Fäuste gegen einen Rivalen erhebt. Die Pfeifen waren eigentlich gar nicht für den Gebrauch in Räumen gedacht. Ihr Schall kroch in jede Ritze des Saals. Besorgt blickte ich nach oben, aus Angst, der Putz könnte von der Decke fallen, und mir war, als bohrte mir jemand Nägel ins Trommelfell.
    Verärgert eilte ich an die Seitenkulisse, und ohne nachzudenken – sogar ohne die Augen zu schließen –, griff ich nach der imaginären Hand des Lauten Lausers. Du solltest das Biniou spielen! Das ist viel zu laut!
    Lars hörte sofort auf. Die Stille traf mich mit voller Wucht und umspülte mich dann wie eine Welle der Erleichterung. Aber er war noch nicht fertig, er hatte nur innegehalten, um zu rufen: »Ik magg es laut!«
    Die dröhnenden Pfeifen erwachten von Neuem zu misstönendem Leben. Darunter mischte sich Gelächter und Beifall, seine Antwort hatte der Darbietung Witz oder wenigstens ein kleines bisschen Sinn verliehen. Der große Bursche mag es laut, ha ha! Und ob er das mag! Ich hielt es keine Sekunde länger aus, und das nicht nur, weil ich schon wieder das Gefühl hatte, jemand triebe mir Nägel ins Trommelfell. Ich floh zurück in den Umkleideraum, aus dem ich gekommen war.
    Zum Glück war niemand da. Ich ließ mich auf den Boden fallen und schlug die Hände vor den Mund.
    Lars hatte mir Antwort gegeben. Ich hatte mich mit ihm unterhalten, indem ich an ihn gedacht hatte – kein Garten, keine Meditation, kein Stellvertreter. Meinen Grotesken persönlich zu begegnen, war schon gespenstisch genug, aber das war noch viel unheimlicher.
    Oder aufregender. Ich wusste es selbst nicht genau.
    Aus dieser Entfernung klang seine Musik schön, und sie gefiel mir umso besser, je weiter ich von Lars weg war oder je leiser die Musik wurde. Ich lehnte den Kopf gegen die Wand und lauschte bis zum Schluss, klopfte mit den Fingern den Takt von »Der tollpatschige Liebhaber« und »Das zaudernde Fräulein«. Der Beifall war leise, als scheuten sich die Zuhörer, die erholsame Stille durch ihr Klatschen zu stören.
    Das nächste Solo begann. Vor dem großen Finale, in dem der Schlosschor Viridius’ gefühlvolle »Spiegelhymne« vortrug, waren nur noch drei Stücke. Ich sollte das Finale dirigieren. Ich zwang mich aufzustehen. Einige Taugenichtse von Sängern musste man rechtzeitig warnen, damit sie zur Stelle waren. Ich zog den Vorhang vor der Tür zurück und prallte gegen eine massive Wand.
    Die Wand war Lars.
    »Musik in Gedanken ist eines«, sagte er mit bebender Stimme. Er kam auf mich zu und drängte mich zurück in den kleinen Raum. »Aber jetzt … jetzt habe ich sogar deine Stimme im Kopf!«
    »Ich weiß«, sagte ich. »Ich wollte das nicht.«
    »Warum passiert das?«
    Seine Haare standen ab wie die Wildschweinborsten auf einer Bürste. Seine Nasenflügel bebten. Er verschränkte die Arme zum Zeichen, dass er so lange ausharren würde, bis ich ihm eine zufriedenstellende Erklärung gegeben hatte.
    »Ich muss dir etwas … zeigen«, begann ich. Im Zimmer war es gerade hell genug, dass er mein eigenes groteskes Erbe würde erkennen können.
    Ich zögerte. Die Erfahrung, die ich mit Dame Okra gemacht hatte, war nicht gerade ermutigend gewesen.
    Ich hatte keine Ahnung, wie Lars darauf reagieren würde. Und dieser Raum hatte nicht einmal eine richtige Tür. Guntard könnte seinen Kopf durch den Vorhang

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