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Seraphim

Seraphim

Titel: Seraphim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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könnt«, konnte er noch sagen.
    Dann verließ er das Kontor fluchtartig.
    In der darauffolgenden Nacht schlief er schlecht, trotz der Anstrengungen der letzten Tage quälten ihn Alpträume, und nachdem er inden Morgenstunden endlich in einen tieferen, traumlosen Schlaf gefallen war, wachte er erst gegen Mittag wieder auf.
    Da ihn der Hunger quälte, entschloss er sich, nachzusehen, ob er Arnulf in der »Krummen Diele« antraf. Er hatte sich bei dem Freund noch nicht für seine Hilfe bedankt – und auch dem Jungen, der ihn aufgespürt hatte, hatte er den versprochenen Gulden noch nicht bezahlt.
    Im Gasthaus fand er Arnulf am selben Tisch sitzend wie vor einigen Tagen.
    Der Nachtrabe grinste breit, und seine grünen Augen glitzerten im Sonnenlicht, das durch die weit geöffneten Fenster ins Innere der Gaststube strömte. »Ich habe auf dich gewartet.«
    Richard legte Mantel und Hut ab, setzte sich und bestellte beim Wirt Brot und Fleisch und einen Krug Bier. »Zeuner hat mich gestern zu sich rufen lassen.«
    Arnulf lachte auf. »War mir schon klar! Der Kerl ist mir nicht geheuer! Der kocht doch irgendein eigenes Süppchen, von dem keiner von euch eine Ahnung hat.«
    Der Wirt kam und brachte Richard sein Bier. Er nahm es, leerte es in einem einzigen langen Zug und stellte den Krug wieder hin. Kurz überlegte er, Arnulf zu erzählen, dass Zeuner in Katharina verliebt war, aber dann überkam ihn wieder dieses nagende Eifersuchtsgefühl. Was, wenn Katharina die Gefühle des Bürgermeisters erwiderte? Sie war aus seinem Haus geflohen, nachdem sie seine anatomischen Zeichnungen entdeckt hatte. Jedenfalls vermutete Richard das, denn er hatte das Blatt auf dem Fußboden gefunden, und es war eine Erklärung dafür, warum sie so überhastet davongelaufen war.
    Richard starrte auf seine Hände, und es hätte ihn nicht gewundert, wenn er dort Reste des Blutes von seinem letzten Studienobjekt gefunden hätte.
    Katharina musste ihn für ein Monster halten, und im Dunkel der Nacht, wenn er wach lag und grübelte, dann redete er sich ein, dass das auch gut so war. Er hatte die Blicke bemerkt, die sie ihm zuwarf, seitdem sie fast ertrunken war, diese gleichzeitig liebevollen und verwirrten Blicke. Natürlich erinnerte sie sich daran, wie er ihr Gesicht mit Küssen bedeckt hatte, als ihm klargeworden war, dass sielebte. Und sie fragte sich wahrscheinlich, was in ihn gefahren war, warum er sie kühl behandelte und nur zu kurzen medizinischen Besuchen zu ihr kam.
    Aber er hatte keine andere Wahl.
    Auch wenn es ihm das Herz brach: Er musste verhindern, dass sie sich in ihn verliebte, denn dadurch brachte er sie nur in Gefahr. Seine Seele war verdammt durch das, was er getan hatte, und er würde Gottes Zorn auf sie herabbeschwören, wenn sie seine Liebe erwiderte.
    Richard presste die Handflächen gegen die kühle Oberfläche des Kruges. »Ich wollte dir danken«, sagte er zu Arnulf, der ihn die ganze Zeit mit ruhigem, aufmerksamem Blick beobachtet hatte.
    Arnulf blinzelte, als tauche er aus einer tiefen Versenkung auf. »Hab ich Übung drin«, sagte er in seinem Gossenton, »im Leute vor’m Ertrinken retten. Aber im Ernst«, kehrte er zu seiner üblichen Sprechweise zurück, »es würde mich wirklich interessieren, wie du Katharina gerettet hast.«
    »Es war ... ich weiß es auch nicht, nenn es Eingebung. Als sie dalag und nicht mehr atmete, da sind mir plötzlich Tausend Erinnerungen durch den Kopf geschossen. An die Frau, die du uns vor einem Jahr zum Sezieren gebracht hast, erinnerst du dich an sie? Und an den Jungen von neulich.« Der Wirt kam ein zweites Mal und stellte einen Teller mit dem Fleisch und Brot vor Richard ab. Ein Messer gab es in diesem Haus nicht, also zog Richard seinen Dolch aus dem Gürtel. »Außerdem musste ich in diesem Moment daran denken, wie ich damals in dem Weiher beinahe ertrunken wäre. Als ich nach Cesare Vasaris Leiche getaucht bin.«
    Arnulf grunzte, sagte jedoch nichts dazu.
    Richard stach seinen Dolch in ein Stück Fleisch und hob es hoch, um es zu betrachten. Dafür, dass das Gasthaus nicht den besten Ruf genoss, schien das Stück recht ordentlich zu sein. Er legte es wieder auf dem Teller ab. Er hatte keinen Appetit mehr. »Ich weiß schon! Aber was ich meine, ist: Damals spürte ich kurz vor dem Ertrinken einen schmerzhaften Krampf in der Kehle.« Er klopfte sich gegen den eigenen Adamsapfel. »Es war, als zöge sich hier drinnen alles zu einem einzigen faustgroßen Klumpen zusammen. Und in dem

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