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Serum

Serum

Titel: Serum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Reiss
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Polstersessel. Die Temperaturen mussten seit meiner Ankunft gefallen sein, denn sie trug einen dicken grünen Pulli, wollene Hosen, Fellstiefel. Ihre weiche Hand griff nach meiner. Ihre Stimme zitterte.
    »Wir haben abwechselnd bei dir Wache gehalten.«
    Durchs Fenster sah ich eine Eisschicht auf den grünen Blättern, als wäre der Sommer eingefroren. Das Haus roch nach Schimmel, Fluss und Moder. Ich lag in einem weichen, altmodischen Himmelbett. Im Kamin neben einem leeren Gewehrregal brannte ein Feuer. Auf einem Foto aus der Zeit des Bürgerkriegs lehnte ein konföderierter Soldat an einem Weidezaun und rauchte eine Maiskolbenpfeife. Ich dachte: Es kann nicht Winter sein. Ich kann unmöglich so lange geschlafen haben.
    »Mike, du hattest fast 41 Grad Fieber. Die Nachrichten sind schrecklich … Überall Aufstände. Erschießungen. Furchtbar.«
    »Welchen Monat haben wir?«
    »Oh. Das ist nur ein seltener Eissturm im August, verrücktes Wetter. Du hast sechs Tage geschlafen. Eisner hat einen befreundeten Arzt mitgebracht. Das Haus gehört ihm.«
    Eisner hatte mich also tatsächlich hergebracht. Es war kein Traum gewesen. Gabrielle begann zu stammeln. Tränen stiegen ihr in die Augen.
    »Die Gewehre«, krächzte ich. »Wo sind sie hin?«
    »Tut mir leid, dass ich die Männer auf Keatings Party nicht bemerkt habe. Sie müssen von der anderen Seite gekommen sein.«
    »Nicht deine Schuld«, sagte ich.
    »Wenn Eisner dich nicht gefunden hätte, hätte ich es mir nie verziehen. Und nicht nur, weil ich dir bei der Party nicht helfen konnte.«
    Ihre Stimme brach. Ich verstand, was sie sagen wollte, aber ich war zu erschöpft, um darauf zu reagieren. Mein ganzer Körper schmerzte so sehr, dass ich meine Umgebung kaum wahrnahm.
    Aber die Nadel in meinem Arm war real, genau wie die Infusionsflasche neben dem Bett. Ich roch medizinischen Alkohol und Desinfektionsmittel, Holzpolitur und frisch geschnittene Blumen, welche die Krankheitsgerüche fast übertönten: Galle, Urin, Erbrochenes und verschwitzte Laken.
    Das Licht flackerte.
    »Es gibt hier Probleme mit der Stromversorgung, Mike.«
    »Wo ist Eisner?«
    »Unten. Er hat uns gerettet, aber er meint, wir können nicht mehr lange hierbleiben. Die Leute, die dich gefangen gehalten haben, suchen nach dir.«
    Ich wollte mich aufsetzen, aber es ging nicht. Ich erinnerte mich an den Eisner aus meinem Traum, den, der mich reinzulegen versuchte. Ich sagte: »Er will die Droge, wie alle anderen auch. Bring Danny zu mir. Wir müssen fliehen und die Öffentlichkeit informieren.«
    HF-109 war eine entsetzliche Perversion. Es korrumpierte jeden, der damit in Berührung kam. Man sollte es Enslave nennen, Versklavung, nicht Enhance, denn mit Erweiterung hatte das Ganze nichts zu tun, schon gar nicht mit Bewusstseinserweiterung.
    Sie drückte mir einen Kuss auf die Stirn. Ihre Lippen waren kühl und weich, und sie glitten weiter zu meiner Wange, meinen Lippen. Ich musste furchtbar schmecken. Es schien ihr nichts auszumachen. Ihre Berührung war wie ein Hauch und schmeckte nach Orangen. Dann zogen ihre Lippen sich zurück, aber ein Versprechen blieb.
    Ich brauche ein Schießeisen, dachte ich.
    »Ich bleibe bei dir, Mike. Von jetzt an. «
     
    Eisner marschierte als Erster herein, die anderen folgten. Gabrielle verdrehte die Augen, um mir zu signalisieren, dass ihre Bemühungen, ihn fernzuhalten, nicht gefruchtet hatten. Alle überschlugen sich vor Fürsorge. Ich behielt Eisner im Auge.
    Kim reichte mir Tee und sagte: »Trink langsam. Er ist heiß.«
    Meine Schmerzen waren von der Art, die über das rein Physische hinausgeht. Ich fühlte mich ausgehöhlt, als hätte man mir alle Organe herausgeschabt. Ich fühlte mich alt.
    »Warum haben Sie mich rausgeholt?«, krächzte ich Eisner an.
    In seiner Zivilkleidung sah er aus wie ein Holzfäller, mit schwarzem Strickpulli, Jeans und Chucka-Stiefeln. Eisner, der Waldläufer. Eisner, mein neuer bester Kamerad.
    »Wo soll ich anfangen, Mike? Ein vierzig Millionen Dollar zu hoch dotierter Vertrag. Ein toter Aufsichtsratsvorsitzender und ein ermordeter Wissenschaftler. Ich wurde von dem Fall abgezogen, als ich an Ihrer Schuld zu zweifeln begann. Und dann hat man Sie gefoltert. Es war meine Schuld. Ich bin derjenige, der Keating gesagt hatte, dass Sie in Washington waren. Da wusste ich noch nicht, dass Sie gegen ihn arbeiten.«
    »Was wollen Sie?«
    »Was ich immer wollte. Und Sie auch. Mistkerle wegsperren, die ihre Privilegien missbrauchen und gegen

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