Serum
einem weiteren Kaffeetisch Bücher über Rad- und Skifahren lagen, Kims Hobbys. An der Klinkerwand im Osten stand ein langes, vom Boden bis zur Decke reichendes Regal voller Bücher und Fotos von Kim und ihrem Sohn Chris: im Zoo, beim Urlaub in Costa Rica, im Sommerhaus des Vorsitzenden in den Hamptons.
»Trink einen Schluck Wein«, sagte Kim und drückte mir einen Kelch in die Hand. Die Schlafzimmer waren verglast und vom rustikalen Küchenbereich aus einsehbar, wo Danny, Kim und ich Platz nahmen. Wir aßen Zitronenpasta mit Tomaten-Mozzarella-Salat und tranken dazu einen Barriquewein aus Oregon.
»Eisner hat heute Morgen eine Stunde lang mit Keating gesprochen«, berichtete Danny. »Danach war er sofort hinter dir her. Seine Leute wollten wissen, ob du irgendwelchen politischen Organisationen nahestehst. Ob du oft nach Übersee reist. Oder Kontakt zu Leuten hältst, gegen die du mal ermittelt hast.«
»Wir haben elf Fabriken in Übersee«, sagte ich angewidert.
Kim meinte: »Mich hat er nach Hoot und Danny ausgefragt. – Ich habe extra viel Zitrone in die Pasta getan, wie du es am liebsten hast.«
Wie üblich trug sie Jeans und ein langes Hemd. Sie besaß den zierlichen, feingliedrigen Körper einer Ballerina. Kleine Hände. Kleine Nase. Kleine Brüste. Die glänzenden braunen Haare mit einem leichten Rotton waren kurz geschnitten, im Nacken etwas länger. Ihre Augen leuchteten hellblau wie Gletschereis. Zu Hause trug sie meistens eine Menge schmaler Silberarmreifen aus Arizona und New Mexico. Ihr geschmeidiger Gang zog auf der Straße die Blicke der Männer auf sich.
Sie wirkte wie jemand, der die Zügel mit kühler Gelassenheit in der Hand hält, sich überall zu Hause fühlt und immer offen für neue Erfahrungen ist.
»Haben Eisner oder seine Leute HF-109 erwähnt?«, fragte ich.
»Nein.«
Kim schüttelte den Kopf. »Ich habe auch noch nie davon gehört. Erzähl uns, was du weißt, Mike.«
Ich aß einen Bissen von der Zitronenpasta. Die Linguine waren mit abgeriebener Zitronenschale aromatisiert, mit grobgemahlenem schwarzen Pfeffer, Crème fraîche, extrafeinem Meersalz und frischem Pecorinokäse zubereitet. Eine Mahlzeit, die einen seine Probleme zumindest für kurze Zeit vergessen ließ.
Ich berichtete, dass HF-109 als potentielles Arthritismittel galt, aber erst als ich den Namen des Forschers erwähnte, Asa Rodriguez, straffte sich Kim aufgeregt. »Ich erinnere mich an ihn! Er kam vor ein paar Monaten ins Büro!«
»Dwyers Büro?«, fragte ich überrascht. In der Firmenhierarchie ist ein freischaffender Forscher das Unterste vom Unteren.
Kim nickte. »Er kam unangemeldet. Aber jeder weiß ja, dass Dwyers Tür immer offen steht. Früher oder später wird man auch vorgelassen.«
»Was wollte Rodriguez?«
»Er sah aus wie ein Althippie«, meinte Kim. »Er war auf eigene Kosten von Key West heraufgeflogen. Man hatte sein Projekt gestrichen. Irgendein Medikament aus einem Fisch.«
»Hat Dwyer ihn empfangen?«
»Ja«, sagte Kim, während sie sich halb erhob, um nach dem Krug mit Eiswasser zu greifen. Ich musste unwillkürlich das Spiel der Muskeln in ihrem Hintern bewundern. »Letzten Endes muss ich ja entscheiden, wer vorgelassen wird. Und ich hasse es, jemanden zurückzuweisen.«
»Ich weiß«, sagte ich. Kim sprach von Dwyer, als würde er noch leben.
»Ihn habe ich jedenfalls nicht weggeschickt. Er war so hartnäckig. Er sagte, bei seinem Projekt sei ein Fehler passiert, und es wäre ihm egal, wie beschäftigt Dwyer sei. Er würde warten. Geben Sie mir nur zehn Minuten mit ihm, wiederholte er ständig. Er ließ nicht locker. Am nächsten Tag kam er wieder, und diesmal hatte er sogar Verpflegung mitgebracht. Er wartete zwei Tage lang.«
»Hat er gesagt, was für ein Fehler das war?«, fragte ich mit wachsender Neugier.
»Er sagte, sein Interesse daran, neue Arzneistoffe aufzuspüren, käme daher, dass er gegen tausend Dinge allergisch sei. Beim National Institute of Health hätte er gekündigt, weil sein Abteilungsleiter ein arroganter Idiot gewesen sei. Er hatte so eine Theorie, dass …«
Kims Augen leuchteten, während sie weitererzählte. Sie holte manchmal etwas weit aus, aber man konnte sie nicht drängen.
»Es ist wirklich faszinierend«, übertönte sie einen draußen vorbeirumpelnden Lastwagen. »Wisst ihr, wie viele neue Medikamente Lenox schon im Regenwald entdeckt hat?«
Ich seufzte und aß weiter.
Kim war ein wandelndes Lexikon. Sie besaß einen unersättlichen
Weitere Kostenlose Bücher