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Settlers Creek

Settlers Creek

Titel: Settlers Creek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Nixon
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sich nicht entscheiden. Die Sonne schien, doch ein kühler Ostwind trieb ein paar niedrighängende Wolken über den Himmel. Von seinem Standpunkt aus sah Box über die Dächer der nächststehenden Häuser hinweg ins Tal, wo die dunklen Wolkenschatten über den Rand der Stadt zogen. Sie wanderten von einem Haus zum nächsten, über menschenleere Straßen und frischgemähte Vorgärten, bevor sie zu den Grashügeln gelangten. Dort hoben und senkten sie sich, bis sie die Spitze des nächsten Felsvorsprungs erklommen hatten.
    Er wollte nur Zeit schinden. Ihm war speiübel.
    Er benutzte den Tritt neben dem Gatter, um über den Zaun zu steigen, und folgte dem Weg, der zerfurcht und steinig war vom abfließenden Regenwasser und den Reifen der Mountainbikes. Das gestrige Unwetter hatte zahlreiche Pfützen hinterlassen. Ein einsamer Flötenvogel beobachtete ihn aus dem Geäst der ersten Kiefer. Box erwartete, ihn singen zu hören, doch er blieb stumm. Der Weg machte eine Kurve und dann eine zweite. Etwa hundert Meter weiter sah er unterhalb des Wegs weißblaues Absperrband, das die Polizei zwischen die Stämme der hohen Kiefern gespannt hatte.
    Als er an diesem Band angekommen war, bückte er sich und schlüpfte darunter durch. Er stieg den steilen Hang hinab. Im Schatten der Bäume war es kalt. Außer dem Absperrband wies nichts darauf hin, was sich hier abgespielt hatte. Er stand seitlich am Abhang, einen Fuß tiefer als den anderen, und schaute über das Tal hinweg auf die mit gelbbraunem Tussockgras bewachsenen Hügel. In der gegenüberliegenden Felswand gab es Höhlen. Er konnte das halbe Dutzend Eingänge erkennen, niedrige Felsüberhänge rahmten dichte Schatten. Im Norden die Hochhäuser des Stadtzentrums.
    »Entschuldigen Sie bitte. Entschuldigung! Sie dürfen hier nicht sein.«
    Box wandte sich um und sah einen Mann oben auf dem Weg, der durch eine Lücke zwischen den Stämmen zu ihm hinabschaute. Er mochte Anfang Siebzig sein. Er befand sich nur zwanzig Meter entfernt, doch wegen des steilen Geländes mußte Box den Kopf in den Nacken legen, um ihn genauer zu betrachten. Graue Haarbüschel wuchsen oberhalb der Ohren des Mannes, er trug einen dicken braunen Pullover und Bluejeans, die zu weit für seine dürren Beine waren.
    »Machen Sie sich keine Sorgen, das geht schon in Ordnung«, rief er.
    »Hier findet eine polizeiliche Untersuchung statt.«
    »Ich weiß.«
    »Ein Junge hat sich hier erhängt.«
    »Bitte lassen Sie mich in Ruhe.«
    »Sie können da nicht bleiben.«
    »Er war mein Sohn. Lassen Sie mich einfach in Ruhe.«
    Der Mann schwieg.
    Box wandte sich ab und sah wieder über das Tal. Hinter sich hörte er, wie der alte Mann sich einen Weg durch die Kie­fern­äste bahnte; das Zurückschnellen der Zweige, den raschen Atem und seine gemurmelten Verwünschungen.
    Als er ihn fast erreicht hatte, drehte sich Box zu ihm um: »Ich habe Sie doch gebeten, mich in Ruhe zu lassen.«
    »Ich heiße Charlie Watson. Ich war es, der ihn gefunden hat, Ihren Sohn.«
    Der Mann war nun nahe genug, um Box die Hand hinzu­strecken. Box sah, daß die Finger krumm waren und die Knöchel geschwollen. Sie schüttelten sich die Hand, und Box empfand die Finger in seiner Handfläche wie ein Bündel trockener Zweige.
    »Box Saxton.«
    »Wie bitte?«
    »Box.«
    »Wie das, wo man Sachen reintut?«
    »Genau. Mein Sohn hieß Mark.«
    Der Mann nickte, und nun schauten beide über das Tal.
    »Tut mir leid, daß ausgerechnet Sie ihn finden mußten. Das hätte ich Ihnen gern erspart.«
    »Es war natürlich ein Schock. Das kann ich Ihnen sagen. Ich war unterwegs, um Kiefernzapfen zu sammeln. Kaminanzünder. Das hätte ich zuallerletzt erwartet.«
    »Wo genau war er?«
    »Da drüben.« Er wies mit einem verkrümmten Finger auf die Kiefern. »Der letzte große Baum der Reihe. Ich kann Sie hinführen. Wollen Sie?«
    »Ja.«
    Box folgte ihm, bis sie zum letzten Baum der ungleichmäßigen Reihe von Kiefern kamen.
    »Hier war’s. Das Seil hing über diesem niedrigen Ast. Er hat den Zaunpfahl benutzt, um da raufzukommen.«
    »Den hier?«
    »Ja. Ich mußte selbst draufsteigen, um ihn abzuschneiden.«
    »Danke.«
    Bei diesem Wort brach Box die Stimme, und er wandte sich abermals ab, um über die Stadt zu schauen. Der alte Mann scharrte unruhig mit den Füßen in der dicken Schicht Kiefernnadeln, durch die nicht einmal Tussockgras wuchs. Ein Windstoß zauste die Haarbüschel über seinen Ohren.
    »Tut mir leid, daß ich Sie vorhin so angebrüllt habe.

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