Settlers Creek
und ging den Weg entlang. Box schaute ihm nach.
Als er allein war, ging er zu dem Zaunpfahl, den Charlie ihm gezeigt hatte. Box kletterte hinauf. Vorsichtig balancierend schaute er nach Nordwesten über die Stadt. Er stellte sich vor, wie dieser Anblick vor zwei Nächten ausgesehen haben mochte. Es schien sicher, daß Mark schon bei Tageslicht hierhergekommen war, niemand hatte etwas von einer Taschenlampe gesagt. Vielleicht am frühen Abend, in der Dämmerung. Vielleicht. Er konnte nur Vermutungen anstellen. Es war durchaus möglich, daß sein Sohn hier gestanden und zugeschaut hatte, wie die Lichter der Stadt angingen. Die Lichter in den Häusern würden nacheinander angemacht worden sein, aber die Straßenbeleuchtung sprang auf einen Schlag an, es mußte nur ein Schalter betätigt werden; ganze Straßenzüge leuchteten gemeinsam auf, ein erleuchtetes Fadenkreuz erschien unter ihm.
Box schüttelte den Kopf. Er machte sich etwas vor, romantisierte die Szene. In Wahrheit hatte er nicht den blassesten Schimmer, was Mark sah, als er hier gestanden hatte. Oder, wichtiger noch, woran sein Sohn wohl gedacht haben mochte.
Zweiter Teil
Sieben
Der Toyota, vorsintflutlicher Klapperkasten, der er ist, mag keine steilen Gefällstrecken, quält sich aber ebenso ungern steile Anstiege hoch. Als Box die Serpentinen nach Governors Bay runterfährt, riecht er den Gummigestank abgefahrener Bremsbeläge. Und noch etwas, nämlich verbranntes Öl, das vermutlich auf den heißen Motorblock tropft. Oder gar etwas Schlimmeres signalisiert. Die Temperaturanzeige verharrt im roten Bereich. Etwa bei der Hälfte der Strecke hatte er angefangen, die Motorbremse zu benutzen, doch nach den Geräuschen zu schließen, die aus dem Getriebe des Pickups drangen, standen die Chancen ziemlich gleich, ob zuerst die Bremse oder das Getriebe den Geist aufgeben würde. Beides wäre fatal.
Doch jetzt hat er es zumindest bis in die Ebene geschafft. Er ist angekommen. In der Bucht. Zu Hause.
Zu seinen Zeiten war die Straße in die Stadt noch nicht asphaltiert gewesen. In jenen Tagen – den Ausdruck hatte sein Großvater immer benutzt: in jenen Tagen, mein Junge – brauchte man für die Fahrt aus der Stadt über eine Stunde. Box erinnerte sich an die Geräusche, wenn die Steine gegen das Chassis des alten Pritschenwagens sprangen und sein Großvater den Wagen in den Kurven durch den dicken Kiesbelag schlingern ließ. Noch heute konnte er sich die Achterbahnfahrt dort hinunter vergegenwärtigen: Für ihn als Kind war das der Grand Canyon gewesen. Die seltenen Fahrten mit dem Großvater in die Stadt waren Expeditionen gewesen, Abenteuer.
Die Gefahren aber hatte er sich nicht nur eingebildet. Der Sohn der Frosts, nur ein paar Jahre älter als Box, war mit sechzehn bei einem Motorradunfall im Winter auf dieser Strecke ums Leben gekommen. Und später hatte Don Cooper eine Nacht kopfüber im Sicherheitsgurt hängend verbracht, umnebelt vom Benzingestank, nachdem sein Wagen in eine Schlucht gestürzt war. Nur ein schmaler Grat verlief zwischen einer echten Tragödie und einer witzigen Geschichte, die man seinen Freunden am Freitagabend in der Kneipe erzählen konnte.
Während seiner Kindheit war Box’ Welt sauber geteilt zwischen den Hiesigen und allen anderen. Manchmal kamen im Sommer Familien in die Bucht. Die meisten aus der Stadt auf einem Wochenendausflug inklusive Picknick. Sie hielten vor der einzigen Kneipe auf ein Bier, ein Radler für die Frau, Limonade oder Himbeerschorle für die gelangweilten Kinder. Das Kind Box hatte dabeigestanden und alles mißtrauisch beobachtet. Für ihn waren diese Fremden so etwas wie Marsmenschen.
Die Schule, die Box besuchte, bis er dreizehn war, hatte nur drei Lehrer, und eine Menge Kinder wurden mit dem Bus von außerhalb gebracht. Sie kamen von Farmen und aus den kleinen Ansiedlungen, die auf der Südseite des Hafens entstanden waren. Er fuhr an dem Haus vorbei, das einst Harbidges Lebensmittelladen gewesen war. Vor ein paar Jahren war es zu einem Café umgebaut worden, mit versiegeltem Parkett und einer mit verzinktem Wellblech verkleideten Theke. Der neue Besitzer hatte einen Sandsteinbrunnen vor dem Café aufstellen lassen, wo zuvor eine rissige Betonplatte mit einem Fahrradständer gewesen war. Die Brunnenfigur stellte eine füllige Frau mit übertrieben dicken Schenkeln dar, die in dem Wasserbecken kniete, den Kopf im Nacken und die ausgebreiteten Arme in den Himmel gereckt. Ihre riesigen Brüste spien
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