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Settlers Creek

Settlers Creek

Titel: Settlers Creek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Nixon
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Ich hatte Sie nicht für den Vater gehalten. Also muß seine Mutter eine ...?« Er ließ die Frage in der Luft hängen.
    »Nein. Ich habe seine Mutter geheiratet, als Mark zwei Jahre alt war.«
    »Verstehe.«
    »Ich war der einzige Vater, den er je gekannt hat.«
    »Meine Frau war bereits verheiratet, als wir uns kennenlernten. Er ist im Vietnamkrieg gefallen. Aber sie hatten keine Kinder.«
    Box starrte auf den Ast. Die Stelle, an der das Seil die Rinde glattgescheuert hatte, war deutlich zu erkennen.
    Der alte Mann redete noch immer. »Polizei und Rettungsdienst sehen sicher jede Menge grauenvolle Sachen, bis zu einem gewissen Grad gewöhnt man sich vermutlich sogar daran. Autounfälle, Brände, sogar Morde und was sonst noch alles. Eine ganze Menge von diesen Jungs waren gestern hier oben. Keiner von ihnen wirkte sonderlich mitgenommen. Ist einfach ihr Job, nehme ich mal an. Aber für mich war die einzige Leiche, die ich je von nahem gesehen hatte, die meiner Mutter. Aber da war sie schon dreiundsiebzig und im Krankenhaus nach einer langen Krebserkrankung gestorben. Das ist etwas ganz anderes, nicht?«
    Box drehte sich wieder zu ihm um. »Tut mir leid, daß er Ihnen das zugemutet hat.«
    »In der Tat habe ich die letzte Nacht kaum geschlafen. Ich mache die Augen zu und sehe ihn vor mir. Nichts dagegen zu machen. Der Schock. Seine Kleider lagen ordentlich auf einem Stapel, genau hier.«
    Box ging zu der Stelle, auf die der Mann gedeutet hatte, kauerte sich hin und legte seine Hand auf die trockenen Kiefernnadeln zwischen den dicken Baumwurzeln.
    »Sein Telefon hat plötzlich geläutet, ich hatte fast einen Herzinfarkt.«
    »Liz, seine Mutter, hat versucht ihn zu erreichen.«
    Oben in den Bäumen schwang sich plötzlich der Flötenvogel, den Box gesehen hatte, in die Luft und flog ein kurzes Stück, bevor er etwas wackelig im hohen Gras landete. Er wandte den Kopf zu ihnen. Der alte Mann beobachtete das. Box sah, wie er von einem Fuß auf den anderen trat, als hätte er Schmerzen in den Beinen.
    »Das geht mich natürlich nichts an, aber ich habe die ganze Zeit darüber nachgedacht, ich meine ... wissen Sie, warum? Warum er das getan hat, frage ich mich.«
    »Ich habe keine Ahnung.«
    »Entschuldigung. Sie haben recht, es geht mich nichts an.«
    »So ist es nicht gemeint. Wenn ich’s wüßte, würde ich es Ihnen sagen. Vor ein paar Monaten ist seine Beziehung mit einem Mädchen auseinandergegangen. Sie war sehr nett, aber wir hatten das nie für etwas wirklich Ernstes gehalten. Ende letzten Jahres hat er die Schule abgeschlossen und wußte nicht, was er machen wollte. Er nahm eine Auszeit, so nannte er das, um eine Entscheidung zu treffen. Ich glaube, er hat zuviel getrunken.«
    Der alte Mann schüttelte nachdenklich den Kopf. »Ich habe selbst zwei Söhne. Sie sind natürlich schon älter, aber als sie in diesem Alter waren, hatten sie andauernd Probleme mit Mädchen und Alkohol. Das ist einfach so, glaube ich.«
    »Ich bin Ihnen dankbar, daß Sie ihn gefunden haben.«
    Der Mann wehrte ab: »Ich wohne hier. Ich habe doch nur Kiefernzapfen gesammelt.«
    Box sah zu den Höhlen auf der anderen Seite des Tals, ein Stück unterhalb von ihnen. Zwei waren besonders groß, sie lagen fast in der Talsohle. Der alte Mann folgte Box’ Blick.
    »Die Maori, die beim Hafen auf der anderen Seite des Hügels lebten, bevor die Weißen kamen, die gingen immer hier durch, wenn sie mit anderen Stämmen handelten. Man glaubt, sie hätten in den Höhlen übernachtet. Dafür gibt es aber keine Anzeichen. Keine Spuren. Ich habe sehr genau nach Höhlenmalereien oder sonst etwas gesucht.«
    Box war auf einmal erschöpft. »Ich will nicht unhöflich sein, aber ich wäre jetzt gerne eine Zeitlang allein hier.«
    »Selbstverständlich. Ginge mir genauso.« Plötzlich wurde er förmlich: »Es hat mich sehr gefreut, Sie kennenzulernen, Box. Mein herzliches Beileid.« Wieder gaben sie sich die Hand, dann wandte sich der Mann ab und stieg langsam den steilen Abhang hinauf.
    Gerade als Charlie auf dem Weg ankam, rief ihm Box nach: »Die Beerdigung ist Mittwoch vormittag. Es wäre schön, wenn Sie kommen könnten.«
    Der Mann drehte sich um. Er blieb mit einer Hand gegen einen Baumstamm gestützt stehen und schaute zu Box zurück. »Ja. Danke. Ich glaube, ich kann.«
    »Sie findet auf dem alten Friedhof von Governors Bay statt.«
    »Den kenne ich. Schöner Platz.«
    Box nickte. »Um elf Uhr.«
    »Danke.«
    Der Mann setzte sich wieder in Bewegung

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