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Settlers Creek

Settlers Creek

Titel: Settlers Creek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Nixon
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Wasser, und es tropfte aus ihrem Nabel. Das ganze Ding war knapp unter lebensgroß.
    Box fragte sich, was sein Großvater wohl zu dieser Skulptur gesagt hätte. Vermutlich nicht viel. Der alte Knabe hätte höchstens einen seiner lakonischen Kommentare abgelassen, etwas mit »Pisse« und »neumodischer Quatsch«.
    Box grinste und fuhr langsam weiter.
    Die meisten Gemüsegärten und Obstplantagen seiner Kindheit waren verschwunden. Auf dem Land der Turners stand jetzt eine Häuserzeile. Mit dem Land der Masons ein Stück weiter oben verhielt es sich genauso. Überall in der Bucht hatte man die Felder und Weiden, auf denen es einst nur Schafe und zerfledderte Kohlbäume gab, in Bauland verwandelt. Stützmauern wurden eingezogen, Zufahrtsstraßen gebaut. In den späten siebziger und frühen achtziger Jahren hatten die Leute plötzlich bemerkt, wieviel ihr Land wert war. Sie hatten entweder an Investoren verkauft oder ihr Land selbst parzelliert. Sie verdienten einen Haufen Geld damit. So gut wie jedes Stück Land mit einem Blick über die Bucht, und den hatten fast alle, wurde aufgeteilt und verkauft.
    Damals war die Straße zur Stadt bereits asphaltiert und die übelsten Kehren waren entschärft worden. Im Winter verteilten die Streuwagen Split in den schattigen Ecken, wo die Sonne die Eisschicht bis zum Nachmittag nicht auftaute. Die Käufer der neuen Grundstücke bauten sich dort ihre Traumhäuser mit Seeblick, und der weite Weg zur Arbeit störte sie nicht. Überall auf den Hängen über der Hauptstraße und unterhalb am Hafen entstanden neue Häuser, dazwischen lag nur noch vereinzelt ein Stückchen Buschland. Blick auf den Hafen aus jedem Zimmer. Governors Bay war zu einer weiteren Vorstadt von Christchurch geworden.
    Ein Stück nach dem Café kam Box an einer Gruppe von sechs Frauen vorbei, die mit schwingenden Armen zügig an der Straße entlanggingen. Alle waren in ihren Dreißigern, trugen Trainingsanzüge von Puma oder Adidas und bunte Laufschuhe. Und Make-up, wie Box deutlich erkannte. Das also waren die heutigen Anwohner. Nicht, daß er etwas gegen sie hätte. Die meisten waren wohlhabend, Rechtsanwälte, Bankiers, Architekten. Etwas in dieser Art mußte man schon sein, wenn man hier wohnen wollte. Doppelverdiener. Familien mit zwei Kindern und hohem Einkommen. Die Kinder wurden mit Audis und neuen Subarus in die Schule gefahren. Box sah diese Wagen immer vor dem Café oder in den betonierten Einfahrten stehen, wenn er hierherkam.
    Diese Leute wollten keine zweitausend Quadratmeter Land. Der Unterhalt der Häuser sollte möglichst billig sein. Sie hielten ihr Grundstück schon für groß, wenn sie ein Stückchen Rollrasen besaßen mit ein paar Strauchveroniken dicht am Zaun. Es klang heute lächerlich, aber als Box hier aufwuchs, glaubten die Leute schon, einander auf den Teller spucken zu können, wenn sie in einer ruhigen Nacht den Nachbarn seine Frau anschreien hörten.
***
    Unten an der Pier parkte er im Kies unter der schiefen Felswand. Er stieg aus und lief über die abgewetzten Holzplanken. Die Pier war noch immer so wie in seiner Kindheit, auch wenn am Ende jedes Winters Planken ausgetauscht worden waren. Und natürlich sah der Hafen immer noch gleich aus. Es war Ebbe, das Hafenbecken ein Feld von grauem Schlick bis hinüber nach Sandy Beach. Die schmale Pier, auf der er stand, zeigte von den felsigen Knöcheln des Festlands wie eine Fingerprothese aufs Meer hinaus. Ein halbes Dutzend Yachten lagen links und rechts von ihr im Watt und warteten, daß die Flut sie wieder flottmachte.
    Die Pier war gut hundert Meter lang. Als Box an ihrem Ende ankam, blieb er stehen und schaute über das Hafenbecken. Steile Hügel erhoben sich auf beiden Seiten. Was er da sah, waren die Überreste eines riesigen Vulkans. Die Zeit hatte die verbrannte Asche von der Oberfläche der Landschaft gewaschen. Wie Schichten von Puder hatte sich der angewehte Humus über die erstarrte Lava gelegt, und der Kraterrand war eingebrochen und vom Meer überspült worden. So hatte sich das langgestreckte Becken gebildet. Die Hügel hatten keine zackigen Konturen mehr, die sich gegen den Himmel abzeichneten. Tatsächlich sahen sie so aus, als wären sie rings um Box ausgebreitet worden wie ein von einem Fotografen kunstvoll gebauschtes gelbbraunes Tuch. Nur bei den Resten des Caldera-Rands ragten dunkle Lavawälle aus dem Boden auf.
    Der Wind blies Box ins Gesicht. Er kam vom Wasser, vom Eingang zum Hafenbecken, wo man einen schmalen

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