Settlers Creek
den Benzinkanister und kletterte einhändig eine Holzleiter hoch. Auf halber Strecke hob er den Kanister über seinen Kopf, schob ihn auf die Bretter über ihm und kletterte hinterher. Mit derselben Technik erreichte er über eine weitere Leiter die höchste Ebene des Forts.
Ungefähr ein Dutzend Häuser bildeten einen Ring um dieses gräserne Niemandsland. Licht quoll aus den Fenstern und zeichnete die Ränder des Parks ins Dunkel, aber nichts davon drang in die Nähe des Spielplatzes. Von hier oben konnte er die Lichter des Marae sehen.
Box kippte Benzin über die Bretter des Forts, wobei er sorgsam darauf achtete, daß nichts auf seine Kleidung tropfte. Als der Kanister etwa halb leer war, kletterte er eine Ebene tiefer und kippte auch dort Benzin aus.
Als er wieder auf dem Boden war, goß er den Rest über eine Wand und den Rindenmulch. Der aufsteigende Benzingeruch ließ ihn leicht schwindeln. Er dachte an die Straßenkinder in der Stadt, die mit der Nase in Plastikbeuteln voll Benzin oder Klebstoff durch ihre verlorenen Tage trieben. Vermutlich fühlten sie sich genau so. Box schraubte den Kanister zu und warf ihn ins Innere des Forts, wo er mit einem dumpfen Knall landete. Er wünschte, er hätte mehr Benzin.
Irgendwo vom Rugbyfeld hörte er das kurze Krächzen eines Flötenvogels. Box fuhr herum und spähte in die Dunkelheit, doch da war nichts.
Er hatte eine Schachtel Streichhölzer in der Tasche, die er nun herausnahm und in der Hand hielt. Er fragte sich, was Liz in diesem Moment wohl machte. Was um alles in der Welt würde sie sagen, wenn sie wüßte, was er jetzt tat?
»Tut mir leid, Liebste.«
Er riß das Streichholz an. Eine kaum merkliche Brise blies es aus. Box fluchte und zündete ein weiteres an, diesmal zusammengekauert und mit den Händen abschirmend. Es flammte auf. Er warf das Streichholz die kurze Entfernung zum Fort hin, hatte aber kaum Hoffnung, daß die Flamme den Flug überstehen würde. Sicher mußte er näher ran. Plötzlich ertönte ein lautes Zischen, und ein Feuerball blendete ihn. Box taumelte durch den Rindenmulch zurück wie ein Tanzbär unter Starkstrom. Die Hitze leckte an seinem Gesicht und kräuselte die Härchen auf seinen Handrücken.
»Jesus Christus!« Ein bißchen näher, und er wäre erledigt gewesen. Er inspizierte seinen Körper, ob da nicht irgendwo ein Brandherd war. Nein, zum Glück nicht.
Erstarrt stand Box im orangenen Feuerschein und sah zu, wie die Flammen Licht warfen und eine Gluthitze verströmten, sich krümmten und ums Holz wanden, die starren Linien zum Flimmern brachten, instinktiv nach oben kletterten, als wollten sie erst das ganze Fort einnehmen und von da in den Himmel vorrücken.
***
Aus allen Häusern um den Park stürmten Menschen. Box fuhr an einem alten Mann im Morgenrock, der offenbar seiner Frau gehörte, vorbei. Er stand mit bleichen nackten Füßen auf dem Gehweg und starrte mit offenem Mund auf das Feuer. Ein paar Häuser weiter sah er ein junges Paar bei ihrem Briefkasten, die Frau trug ein Baby auf der Hüfte. Ein kleiner fetter Mann stand in seiner Tür und sprach aufgeregt in sein Handy.
Als er wieder am Torbogen des Marae vorbeikam, ging eine Sirene los. Sie alarmierte die Feuerwehr. Die langen auf- und abschwellenden Töne wogten über die Stadt hinweg, als würde Kaikoura wie das London der vierziger Jahre aus der Luft angegriffen.
Box fuhr weiter. Er wendete und stellte den Wagen etwa hundert Meter entfernt im Schatten ab, nahe genug jedoch, um sehen zu können, daß die Leute aus dem Tor strömten wie ein aufgeschreckter Bienenschwarm. Er zählte dreiundzwanzig Personen. Die meisten machten sich zu Fuß zum Park auf, das Feuer schien deutlich durch die Bäume, inzwischen schlugen hell orangefarbene Flammen hoch in den Himmel. Niemand beachtete ihn, der reglos im Dunkeln saß. Noch immer gellte die Sirene.
Box wartete noch fünf Minuten ab, dann startete er den Motor und fuhr zum Marae. Er bog in das Tor ein und fuhr langsam über einen Zugangsweg, der Muschelkies glitzerte blaß im Scheinwerferlicht. Kleine Muschelstücke setzten sich im Reifenprofil fest und sprangen gegen das Chassis des Pickups.
Eine große geschnitzte Wächterfigur, von unten beleuchtet, stand am Eingang. Ein Taniwha, ein Wasserdrache. Das wußte sogar Box. Jedes der vier Beine der Figur endete in drei Klauen, so lang wie Box’ Arme. Das Holz war ausgebleicht und rissig von der Sonne und der salzhaltigen Brise, die aus der Bucht hochwehte. Die
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