Seuchenschiff
dafür revanchieren als weiteren Mündern, die gefüttert werden müssen. Innerhalb einer Generation – wenn die halbe Welt keinen Nachwuchs mehr hervorbringen kann – dürfte die Weltbevölkerung auf eine erträgliche Zahl absinken. Es wird keine Not mehr geben. Wir werden die Armut, den Hunger, ja sogar die Bedrohung der globalen Erwärmung abschaffen.
Politiker auf der ganzen Welt geben zu diesen Themen Lippenbekenntnisse ab, indem sie kurzfristige Pläne propagieren, die bei den Leidtragenden den Eindruck erwecken, dass etwas getan wird. Wir wissen aber, dass es nur Lügen sind. Man braucht bloß in eine Zeitung zu schauen, um zu erkennen, dass sich nichts ändern wird. Tatsächlich wird alles sogar immer noch schlimmer. Streitigkeiten um Land- und Wasserrechte entwickeln sich bereits zu großräumigen Konflikten. Und wie viele haben schon ihr Leben lassen müssen, indem sie die schwindenden Ölvorräte verteidigten.
Sie erzählen uns, wir könnten alles in Ordnung bringen, wenn Menschen ihre Gewohnheiten ändern – wenn sie weniger mit dem Auto fahren, kleinere Häuser kaufen, sparsamere Glühbirnen benutzen. Was für ein Witz. Niemand ist bereit, sich in seinem Luxus einzuschränken. Das läuft unseren tiefsten Instinkten zuwider. Nein, die Lösung sind keine kleinen Opfer, die in Wirklichkeit den Kern des Problems nicht einmal ankratzen. Die Antwort ist allein, das Spielfeld zu verändern. Anstatt sich mit immer mehr Leuten herumzuschlagen, die sich immer weniger teilen müssen, sollte die Bevölkerung lieber verringert werden.
Sie alle wissen ja auch, dass dies der einzige Weg ist, nur haben sie nicht den Mut, das auch laut auszusprechen. Daher treibt die Welt immer zügiger dem Chaos entgegen. Der Wunsch nach Nachwuchs ist vielleicht die stärkste Kraft im Universum. Das kann nicht von der Hand gewiesen werden. Aber die Natur hat natürliche Mechanismen, um dies zu regeln. Es gibt Raubtiere, die die Zahl der Beutetiere überschaubar halten, Waldbrände, um die Erde mit neuen Nährstoffen zu versehen, und Hochwasser- und Dürrezyklen. Aber der Mensch mit seinem großen Gehirn hat ständig Mittel und Wege gefunden, um die Bemühungen der Natur um einen gesunden Ausgleich zu vereiteln. Wir haben jedes Tier ausgerottet, das uns als seine Beute betrachtet, so dass nur noch einige in freier Wildbahn leben und der Rest in Zoos im Käfig sitzt. Zurück blieb die primitive Mikrobe, um unsere Reihen mit Krankheiten zu lichten, also schufen wir Vakzinen und Immunisationen, wobei wir uns ständig weiter vermehrten, als erwarteten wir noch immer, jeweils zwei von drei Kindern vor ihrem ersten Geburtstag zu verlieren.
Nur eine Nation hatte den Mut zuzugeben, dass ihre Bevölkerung zu schnell zunahm. Aber sogar sie versagte bei dem Versuch, den Bevölkerungszuwachs zu drosseln. China wollte diesen mit seiner Ein-Kind-Politik gesetzlich regeln, und jetzt gibt es zweihundert Millionen Menschen mehr als vor fünfundzwanzig Jahren. Wenn eins der diktatorischsten Länder der Erde es nicht schafft, dann wird es niemand schaffen.
Die Leute können sich einfach nicht ändern, nicht auf grundlegende Art und Weise. Deshalb müssen wir etwas tun. Natürlich sind wir keine Irren. Ich hätte unser Virus entsprechend umbauen können, um wahllos zu töten, aber ich würde nicht im Traum den Mord von Milliarden von Menschen in Erwägung ziehen. Also – wie soll die Lösung aussehen? Das ursprüngliche hämorrhagische Influenzavirus, mit dem ich begann, hatte die Nebenwirkung, dass seine Opfer anschließend steril waren. Jedoch betrug die Sterblichkeitsrate fast fünfzig Prozent. Nachdem ich die medizinische Forschung aufgegeben hatte, arbeitete ich mit dem Virus über Zehntausende von Generationen und Mutationen und verringerte seine tödliche Wirkung, bis ich die eine Eigenschaft erhielt, die ich wünschte. Wenn wir es auf diesen fünfzig Schiffen freisetzen, infizieren wir damit an die hunderttausend Menschen. Es klingt wie eine große Zahl, aber es ist nur ein winziger Tropfen. Die Passagiere und Mannschaften an Bord kommen aus jedem Teil der Welt und aus jedem sozioökonomischen Bereich. Auf einem Kreuzfahrtschiff trifft man einen Mikrokosmos der Gesellschaft an, vom Wirtschaftskapitän bis hinunter zum einfachen Hilfsarbeiter. Ich wollte dabei absolut demokratisch vorgehen. Niemand wird verschont. Wenn sie in ihre Luxuswohnviertel in Michigan, ihre Dörfer in Osteuropa oder in die Slums von Bangladesh zurückkehren, tragen
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