Sevenheart (1) - Gefährliche Zeiten (German Edition)
mich verlassen musste? Was oder wer war es, der sie dazu brachte, alles was ihr wichtig war, hier zu lassen?
Wenn sie mir nur erzählt hätte, was sie bedrückte, würde ich ihr vielleicht helfen können. Dann wüsste ich, wo ich sie zu suchen habe, dann würde ich nicht so hilflos hier herumirren.
Im Haus saßen alle um den Wohnzimmertisch und schwiegen. Gebbie war wirklich nicht zurück.
„Ich hab noch einmal das Gelände hier abgesucht“
Sie konnten selbst daraus schließen, dass ich sie ebenfalls nicht gefunden hatte.
Ich setzte mich zu ihnen. Und so saßen wir noch weitere drei Stunden. Keiner wagte es, aufzustehen oder irgendetwas zu machen, keiner wollte darüber reden und keiner wollte auch ein anderes Thema anfangen. Ich wusste nicht, was ich jetzt machen sollte, ich wusste nicht, was wir in den nächsten Tagen, in den nächsten Wochen machen sollten.
Nur Emma lenkte sich mit dem Backen ab. Sie stand die ganze Zeit in der Küche und beschäftigte sich. Am Ende hatte sie den größten und fettesten Kuchen gebacken, den ich je von ihr gesehen hatte. Sie stellte in auf den Tisch und schnitt jedem ein übergroßes Stück ab. Keiner von uns hatte richtig Appetit, aber trotzdem aßen alle gehorsam auf.
Nach einer weiteren stand ihr Vater auf. Es war schon drei Uhr nachts.
„Wir rufen jetzt die Polizei an“
Emma machte es ihm nach.
„Genau. Das halte ich für richtig“, sagte sie und ging in die Küche.
Gebbies Vater folgte ihr.
Ich hörte, wie er mit einem Polizisten telefonierte. Er beschrieb ihm, wo sie hinkommen sollten und legte auf. Kurz danach kam er wieder rein.
„Sie kommen jetzt gleich“
Nach zwanzig Minuten standen zwei Polizisten vor unserer Tür. Gebbies Vater erklärte ihnen, was passiert ist. Er sagte ihnen, dass sie irgendwo eingeschlafen sein könnte oder dass sie auf einem Baum lag. Die Polizisten lachten darüber, aber sie versprachen uns, ihr Bestes zu tun. Sie hielten es nicht für abwegig, dass sie im Wald entführt wurde. Auch wir wussten, dass es abends im Wald nicht ungefährlich ist. Doch für Gebbie war der Wald ihr Zuhause, sie kannte jeden Baum. Sie würde sich zu retten wissen.
Ich erinnerte mich, dass ich ihr ein Messer gegeben habe, das sie im Notfall benutzen könnte. Vor einiger Zeit hatte ich mit ihr geübt, wie sie es richtig werfen sollte und mittlerweile gelang es ihr ziemlich gut. Außerdem konnte sie schnell rennen. Ich hielt die ganze Entführungsgeschichte immer noch für absurd.
Die Polizisten machten sich mit zwei weiteren Polizisten und zwei Hunden auf die Suche. Nun war es schon kurz nach halb vier. Uns blieb nichts anderes übrig, als abzuwarten.
Gebbies Vater saß am Tisch. Er hatte die Ellebogen auf den Tisch gestützt, die Hände zusammengefaltet und die Stirn daran gelehnt. Dies machte er öfter, wenn er stark nachdachte. Mein Vater saß neben ihm und starrte gedankenverloren Löcher in die Luft. Emma saß auf der Couch und kämpfte mit der Müdigkeit. Sie würde es jetzt nicht wagen, einzuschlafen.
Ich stand auf und ging hoch.
Gebbies Tür war offen. Ich ging herein.
Ihr Bett war nicht gemacht und alle ihre Sachen lagen noch hier. Wenn sie wirklich weggelaufen war, hatte sie nichts von ihren Sachen mitgenommen. Kein Rucksack, kein Buch, keine Jacke, keine Schuhe, keine Klamotten, kein Kamm, kein Essen, einfach nichts.
Auf ihrem Tisch lagen zwei Bücher. Ich ging hin und betrachtete sie genauer.
Es waren sehr alte Bücher, die ihre Seiten kaum noch zusammenhalten konnten. Ich fragte mich, was sie mit ihnen wollte und blätterte durch.
Die Verhaltensweise einer angehenden Dame.
Ein uraltes Buch, das kurz vorm Verfall war.
Ich konnte mich nicht daran erinnern, in unseren Bücherregalen die Bücher jemals gesehen zu haben. Noch merkwürdiger war es, dass sie auf ihrem Schreibtisch lagen und dass sie diese Bücher wahrscheinlich gelesen hatte.
Ich ließ die Bücher dort liegen, wo sie waren und schloss die Tür hinter mir.
Als ich auf meinem Bett lag und über alles nachdachte, wurde mir klar, dass jetzt alles anders sein würde. Ich wusste, dass sie etwas vor mir verheimlicht hatte, doch jetzt war es wahrscheinlich zu spät, es herauszufinden.
Die Zeit vertrieb ich mir mit Musik hören. Nach zwei Stunden war immer noch nichts von der Polizei zu hören. Die anderen würden jetzt bestimmt noch in der gleichen Position unten sitzen und warten.
Ich sah auf mein Handy. Fünf Minuten vergingen, das nächste Lied wurde abgespielt, weitere
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