Sevenheart (1) - Gefährliche Zeiten (German Edition)
Tiere machen, Reitschüler betreuen, Pferde hinausbringen, meinen Vater zum Essen rufen, Abendessen und dann drei beschissene Stunden im Bett liegen, bis man endlich eingeschlafen war.
Und an diesem Tag machte ich wieder das gleiche.
Ich stand auf, zog mir das erstbeste T-Shirt an, das ich in meinem Schrank fand und die gleiche Hose von gestern. Im Bad spritzte ich mir wie jeden Morgen kaltes Wasser ins Gesicht und verwuschelte meine Haare. Manchmal tat ich auch etwas Gel rein, aber sie waren etwas nachgewachsen und mit Gel sah es scheiße aus. Ich mochte es, wenn sie mehr verwuschelt waren.
Manchmal stand ich aber auf, zog mich an und ging zur Schule. Mehr brauchte ich nicht zu tun. Und heute war auch noch Samstag.
Ich ging in die Küche.
Emma saß auf einem Stuhl in der Ecke und zwischen die Beine hatte sie eine Plastikschüssel geklemmt, in die sie die Schwarzwurzschalen hineinwarf, während sie schälte.
„Morgen“, brummte ich verschlafen.
„Guten Morgen“, sagte sie so eintönig wie immer in letzter Zeit.
Ich schaufelte eine Schüssel Choco-Cornflakes in mich hinein und ging nach draußen.
Während ich eine Reitgruppe betreute und den Rest meiner Arbeit machte, sah ich keinen aus meiner Familie. Es war auch ganz gut so, ich wüsste sonst nicht, was ich mit ihnen reden sollte. Die einzige Gesellschaft, die ich ertragen konnte, war die von unseren Hunden. Sie stellten keine dummen Fragen, lachten nicht bescheuert oder nervten.
Wir hatten heute drei Mädchen, die Reitstunde hatten. Ich musste nur die Tiere füttern und die Mädchen eine Stunde betreuen. Den Rest würde mein Vater machen.
Normalerweise freute ich mich, wenn ich nicht so viel Arbeit bekam, aber heute nicht. Heute hatte ich keine Ablenkung. Ich würde mich den restlichen Tag fragen, warum Gebbie weggelaufen ist, ob sie entführt wurde, was sie wohl gerade macht oder ob sie vielleicht sogar tot ist. Letzteres hatte ich dann aber ausgeschlossen.
Heute war Samstag, und sie war seit mehreren Tagen verschwunden. Die Polizei hatte schon längst aufgegeben. Ich konnte sie auch verstehen. Sie hatten keinerlei Hinweise, sie könnte überall sein. Sie sagten, dass sie vielleicht jemand entführt hatte und Lösegeld von ihrem Vater fordern würde, aber wenn das der Fall wäre, hätten die Täter sich schon längst bemerkt gemacht.
Immer noch in Gedanken versunken, brachte ich das Sattelzeug weg und schlenderte in mein Zimmer. Ich drehte die Musik auf und ließ mich auf meine Couch fallen. Es war aussichtslos, dass sie wiederkam.
Morgen würden Gebbies Mutter und Schwester kommen. Dann würden wir ihnen erklären, dass sie spurlos verschwunden ist und wir würden zwei weitere gebrochene Seelen haben, die getröstet werden müssten. Dafür waren keine Zeit, kein Platz und keine Gelegenheit. Sie würden uns nur zur Last fallen. Und Mitleid brauchte von uns auch keiner.
„Seth!“
Ich wurde zum Abendessen gerufen. Den ganzen Tag hatte ich nichts anderes gemacht, außer auf der Couch gelegen und Musik gehört. Ab und zu war ich auch an Gebbies Laptop, aber als ich mir ihre Bilder mit Freunden oder mit mir angeguckt hatte, hatte ich schon wieder Aggressionen bekommen. Und dabei blieb es auch.
Als ich zum Abendessen herunterkam, wurde aber alles noch schlimmer. Mir klappte fast die Kinnlade runter, als ich sah, dass meine Familie und Lisa, die Tochter von dem besten Freund meines Vaters, um den Tisch saßen und auf mich warteten.
Ich versuchte meine Wut zu kontrollieren.
Sie haben einfach Lisa eingeladen! Was haben sie sich dabei gedacht? Dass ich mich durch sie von Gebbie ablenke?
Ohne ein Wort setzte ich mich hin.
„Willst du unseren Gast nicht begrüßen?“, fragte mich mein Vater und trat mir mit dem Fuß ans Schienbein.
„Hi Seth“, murmelte sie schüchtern neben mir.
Ich brachte gerade so noch ein Hallo zustande und legte mir soviel auf den Teller, wie es auch nur ging. Dann begann ich, mit den Fingern zu essen. Emma feuerte mich die ganze Zeit mit ihren Blicken ab, aber ich beachtete sie nicht. Ich war so sauer auf sie alle.
Wie konnten sie nur ohne meine Erlaubnis jemanden einladen? Was sollte ich jetzt mit ihr machen?
Ich würde sie ganz bestimmt nicht mit in mein Zimmer nehmen.
Als ich mir alle fünf Finger fertig abgeleckt hatte, stand ich auf.
„Zeigst du Lisa dein Zimmer?“
Mein Zimmer zeigen ? Sie war schon hundert Mal hier und ich wollte es ihr nicht noch einmal zeigen .
„Sie kennt es schon!“, entgegnete ich
Weitere Kostenlose Bücher