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Sex and Crime auf Königsthronen

Titel: Sex and Crime auf Königsthronen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Werz
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ernst.
    Im Rückblick darf dieser Versuch als genialer politischer Lösungsversuch gesehen werden, auch wenn der Prinz dabei die Festigung der herkömmlichen Ordnung – oben König und Adel, unten das Volk – zum Ziel hat, und nicht die Hinwendung zum Gleichheitsgedanken. Der gewinnt erst mit der französischen Revolution an Macht.
    1565 reist Wilhelms Mitstreiter, Graf Egmont, nach Spanien, um dem König die Forderungen des niederländischen Hochadels zu unterbreiten. Erfolglos, wie sein Freund Wilhelm von Oranien prophezeit hat. Im November des Jahres treffen Briefe des Königs in Brüssel ein, in denen der Monarch es ablehnt, die Ketzerverfolgung einzustellen. Den Staatsrat erweitert er zum Hohn der »Liga« um zwei Niederländer, die so spanientreu wie katholisch sind. Die »Liga« ist gescheitert und entmachtet.
    Ab diesem Punkt werden Mitglieder der niedrigeren Adelsränge aktiv, mit denen sich die heimischen Hocharistokraten nicht abgeben wollen. Die Kleinadligen, von denen viele längst Calvinisten sind, verfassen eine Petition gegen die Ketzerverfolgung. Sie verlangen, jedwede Glaubensinquisition zu unterlassen, »sei es offen oder verhüllt … sondern sie ganz zu vertilgen und auszurotten als die Mutter aller Unordnung und Ungerechtigkeit«. Dieser sogenannten »Kompromiss«-Bewegung schließen sich rasch 500 Kleinadlige an – und heimlich, heimlich auch Wilhelm von Oranien.
    Sein lutherischer Bruder Ludwig unterschreibt den »Kompromiss« ganz offen, um Solidarität zu zeigen. Sozusagen stellvertretend für den großen Bruder, der es sich mit der »Liga« nicht verderben will und nach außen weiter den treuen Königsvasallen geben muss, um nicht seine Macht zu verlieren. Prinz Wilhelms taktisches Geschick verdient Anerkennung. Ein höchst komplexes doppeltes Spiel ist das Gebot der Stunde. Auch in der Ehe des Prinzen.

Prinz Pokerface schreibt gezinkte Briefe
    Einen privaten Skandal und einen Imageschaden kann sich der Fürst und Oppositionsführer von Oranien in dieser brenzligen Situation nicht leisten. Mit Vergnügen verbreiten seine spanischen Feinde den neuesten Hofklatsch aus Breda – nämlich dass der Held und Casanova daheim Opfer einer »Fürstin Xanthippe« ist. Das kommt in diesen Zeiten einem politischen Kastrationsversuch gleich.
    Später – da herrscht schon Krieg – zahlt Propagandakünstler Wilhelm mit noch härterer Münze zurück: Er lässt auf Flugblättern verbreiten, König Philipp II. sei Bigamist, vergnüge sich im Bett mit seinen Töchtern und mit einer Schwester. Außerdem habe er seine dritte Gattin Elisabeth von Valois vergiftet, um eine Inzestehe mit seiner österreichischen Nichte einzugehen.
    Nun, Philipp war gewiss kein Waisenknabe, aber Blutschande, zumindest ersten Grades, und Bigamie sind erfunden. Ob von Wilhelm oder von anderen ist unklar. Der Prinz könnte es heute jedenfalls locker mit den schärfsten Klatschreportern aufnehmen.
    Einstweilen aber sorgen spanische Spitzel und Plaudertaschen dafür, dass sein Ruf als Ehemann und oberster Gebieter von Anna Schaden nimmt. Gegenmaßnahmen sind nötig.
    Wie oft die Fürstin ihrem Wilhelm eine Szene macht, weiß man nicht. Dafür kennt man den prall gefüllten Terminkalender des Prinzen genau. Fest steht: Er ist selten zu Hause, und Anna beklagt in Briefen nach Hause regelmäßig ihre Einsamkeit und Isolation bei Hof. Zwischen den Gatten herrscht postalische Funkstille, nur im Bett kommt es nach wie vor zu entscheidenden Begegnungen.
    Am 8. Dezember 1564 bringt Anna ihr drittes Kind, einen Sohn, zur Welt. Danach stellen sich – zusätzlich zum gewohnten Kummer – bei Anna anscheinend postnatale Depressionen ein.
    Wilhelm selbst hat der Statthalterin der Niederlande bei einem privaten Essen schon im Mai des Jahres berichtet, seine Frau sei seltsam, schließe sich oft tagelang ein. Belauscht wird die Konversation bei Tisch wie üblich von Spitzeln; diesmal ist es ein Lakai im Dienste von Wilhelms Intimfeind Kardinal Granvelle. Der Prinz wird das gewusst haben. Spitzel gehören zur politischen Grundausstattung in Palästen – auch in den seinen.
    Dass der »Schweiger« ausgerechnet gegenüber der Stellvertreterin von König Philipp so offenherzig über seine Ehe berichtet, ist darum vielleicht kein versehentlicher Ausrutscher. Er scheint die Version »Fürstin Xanthippe« in die für ihn günstigere Variante, »meine Frau ist plemplem« ummünzen zu wollen. Bald kursiert sogar Klatsch über Selbstmordgedanken seiner

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