Sex and Crime auf Königsthronen
allem zur Behandlung von Laster Nummer drei: Anna beginnt gelegentlich über den Durst zu trinken. Was in den Niederlanden und im Palast zu Breda üblich ist. Doch Anna trinkt nicht aus Freude an Geselligkeit oder um politische Deals zu befördern – und sie ist halt eine Frau.
Dass Anna zu viel trinkt, wird in mehreren Quellen erwähnt. Von bis zu drei Litern Wein am Tag wird allerdings erst später und nur in Briefen von Wilhelms Familie berichtet. Vorsicht ist geboten. Die Familie der gegnerischen Partei ist bei Ehestreitigkeiten selten eine verlässliche Quelle.
Immerhin scheint es bei Anna Ende 1565 genug Wein gewesen zu sein, dass sie ihrem Prinzen bei Festen die Meinung sagt. Anna teilt seinen Liga-Freunden und solchen, die es werden sollen, in angeheiterter Runde ihren Kummer mit und wird ausfallend. Unter anderem tut sie politischen Gästen im Winter 1565 lauthals kund, der Oranier sei nur ein unbedeutender Grafensohn, der ihrer als Kurfürstentochter nicht würdig sei. Schließlich hätte sie einen König haben können.
Eine derartige öffentliche Ehrverletzung ist ähnlich unverzeihlich wie eine Majestätsbeleidigung. Daneben dürfte ein Vorfall, der hinter den Kulissen stattfindet, Wilhelm in Rage und in Alarmzustand versetzt haben.
In einem Brief an ihren hessischen Onkel Wilhelm, den Anna heimlich einem von dessen Lakaien zusteckt, scheint sie im Januar 1566 wegen »weicher« Trennungsmöglichkeiten angefragt zu haben. Erhalten ist nur die Antwort des Landgrafen. Der Sohn des Bigamisten Philipp von Hessen stellt kategorisch fest, dass der Ehebund nur durch den Tod geschieden werden könne. Er ermahnt seine Nichte, lieber gehorsam und nachgiebig, verschwiegen, freundlich und holdselig gegen ihren Gatten zu sein.
Sie soll sich damit trösten, dass der Prinz sie so stattlich und prächtig hält, wie »ich keine Fürstin im Reich kenne«. In einem Postskriptum fügt er hinzu, Anna solle sich die schweren Gedanken aus dem Kopf schlagen und fleißig die »Heilige Schrift und den lieben Psalter« lesen.
Um an dieser Stelle mal einen von Annas Verwandten in Schutz zu nehmen: Landgraf Wilhelm weiß, dass die Chancen seiner Nichte Anna für eine machbare und lebbare Trennung von Tisch und Bett gleich null sind.
Diese Art der »Scheidung«, bei der die Ehe nur auf dem Papier bestehen bleibt, die Gatten aber getrennte Haushalte führen, ist zwar für Adlige rechtlich durchsetzbar, aber nur wenn die beteiligten Partner ein ausnehmend freundschaftliches Verhältnis zueinander haben. Außerdem darf es in Finanzfragen keinen Streit geben. Das heißt, der Ehemann muss bereit sein, seiner Gattin Teile ihrer Mitgift zurückzuerstatten, ihr die Zinsen ihres Heiratsgutes zu überweisen oder sie sonst wie zu versorgen. Ansonsten bleibt man verheiratet. All das ist in Annas Fall undenkbar. Und selbst heute sind Paare, die eine derart einvernehmliche Trennung hinbekommen, eher die Ausnahme als die Regel. Erst recht, wenn eine Ehefrau Anspruch auf Ehegattenunterhalt erhebt.
Trennung? Jetzt? Allein die Idee muss den Oranier aufs Höchste empört haben. Sie hätte für den Prinzen weit konkretere Konsequenzen als die ehrverletzenden Äußerungen einer angetrunkenen Gattin, die ohnehin als leicht derangiert gilt und von ihm auch so dargestellt wird. Die Trennung würde den hoch verschuldeten Adligen etwas kosten und seine Aussichten auf sächsische und hessische Zuschüsse zu seiner Revolutionskasse und auf militärische Beihilfe zum Kampf zunichte machen.
Der Prinz muss also mit all seinem taktischen Geschick nicht nur gegen König Philipp intrigieren, sondern auch gegen seine lästige Gattin.
Zu diesem Zweck verfasst Wilhelm von Oranien im Februar 1566 erstmals einen eigenen Klagebrief nach Deutschland. Darin greift er die üblichen Sorgen von Annas deutscher Verwandtschaft geschickt auf und verstärkt sie.
Seine Gattin, so schreibt Wilhelm, sei nun endgültig eine Schande für Sachsen und auch für ihn. Ihr Betragen bringe beide Adelshäuser in Verruf.
Das ist eine Drohung in Richtung sozialer Abstieg.
Es folgt der Bericht über Annas ehrabschneidenen Auftritt vor Politgästen. Dann werden ihre Spiel-, Trunk- und Prunksucht aufgezählt und zumindest ein wenig übertrieben. Nur dem Kurfürsten und dessen Ruf zuliebe, so fährt der Prinz fort, habe er bislang davon abgesehen, die sächsische Skandalnudel postwendend heimzuschicken.
Wo sie keiner haben will.
Wilhelms Vorschlag zur Güte: Der Kurfürst möge bitte
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