Sex and Crime auf Königsthronen
wenigstens ein verlässliches Ehepaar nach Breda entsenden, das die 21-jährige Anna rund um die Uhr zu überwachen habe.
Die vorgeschlagene Maßnahme kommt einer Entmündigung gleich und hieße für Anna Hausarrest von unbestimmter Dauer. Und: Die Drecksarbeit würde der Kurfürst übernehmen, Annas Ruf wäre dahin, und der Oranier stünde als bedauernswerter Ehemann dar, der außerdem keinen Pfennig Mitgift zurückzahlen muss. Prima Lösung. Für den Prinzen. Falls sich der Kurfürst darauf einlässt, was unsicher ist.
Der Landesherr von Sachsen ist schließlich selber ein Schlitzohr. Vor allem in Finanzfragen. Darum schickt der Prinz – Experte für Drohgebärden – den Brief erst einmal nicht ab, sondern liest ihn Anna vor. Als eine Art Gnadenakt.
Seine Frau weiß, was ständige Bewachung in Breda oder eine Verbannung nach Sachsen – wo jeder glaubt, dass sie schuld ist – bedeuten würde. Lebenslanger Hausarrest. Dafür gibt es höchst aktuelle Beispiele aus ihrer nächsten Verwandtschaft, etwa das ihrer Tante Sidonie, einer Vertrauten seit Kindertagen. Ein Fall zum Fürchten.
Annas Onkel August von Sachsen ist zu seinem Verdruss seit einem Jahr in den Ehekrieg seiner Schwester Sidonie mit dem Herzog von Braunschweig verstrickt. Sidonie ist von ihrem Gatten unter fadenscheinigen Gründen wegen Hexerei und einem Giftanschlag auf ihn angeklagt worden. Sie selbst hat zuvor den – tatsächlich begründeten – Verdacht geäußert, der Herzog habe ihre Vergiftung geplant. Wofür sie einen Zeugen hat. Der Genuese bestätigt, dass Sidonies Mann bei ihm Gift bestellt habe, mit der Bemerkung, »sein Weib sei lutherisch, es sei besser, dass sie zugrunde ginge«.
Der zehn Jahre jüngere Gatte ist nämlich gerade zum katholischen Glauben zurückgekehrt und neu verliebt. Sidonie droht »der Hur die Nase abschneiden und ein Auge ausstechen« zu lassen. Weshalb der Gatte sie – na was wohl – wegsperrt. Ein zeittypischer Ehekrimi.
Dabei hat die Verbindung dero zu Braunschweig – so wie Annas Ehe – als ganz heiße Lovestory begonnen. Eine weitere Romanze, vor der einmal mehr der kluge Philipp von Hessen vergeblich gewarnt hatte: »Es wird sich nach der Endigung des Küssmonats in dieser Ehe noch allerhand zutragen.« Ich beginne den weisen Bigamisten richtig lieb zu haben!
Seit 1564 steht die aufmüpfige Sächsin Sidonie unter Hausarrest im ehelichen Schloss bei Hildesheim. Schlimmeres steht zu befürchten, etwa eine Hexenverbrennung. Sidonies Bruder Kurfürst August findet das zwar gar nicht nett, tut aber wenig, um seiner 46-jährigen Schwester zu helfen. Dabei hat er die – im Gegensatz zu Anna – sogar ein bisschen lieb. Als Alternative zu ewigem Hausarrest oder zu Verbrennung kann er Sidonie, die um ihre Freilassung und später um Unterhalt kämpft wie eine Löwin, 1572 in einem ehemaligen sächsischen Kloster unterbringen. Was ebenfalls nach Knast klingt.
Nur das nicht! Muss Anna von Sachsen sich gesagt haben. Sie verspricht Wilhelm nach Verlesung seines Briefes an ihren Onkel absoluten Gehorsam. Das Anklageschreiben des Prinzen wandert in das Körbchen »zur gelegentlichen Wiedervorlage«.
Und damit Anna künftig keine Klagen oder Trennungswünsche mehr nach Hause sendet, bestimmt der Prinz, dass sämtliche Briefe, die sie schreibt oder empfängt, über seinen Tisch gehen.
Das hätte der Inquisitor Philipp II. von Spanien, Wilhelms Erzfeind und König aller Kontrollfreaks, nicht besser regeln können. Ein dem Oranier treu ergebener Biograf kommentiert den Vorfall und die Tricksereien des Helden noch im 20. Jahrhundert so: »Es müssen äußerst leidvolle Tage für den Prinzen gewesen sein.«
Tja, für Anna nicht minder.
Nur wenige Wochen später, am 4. März 1566, stirbt ihr 1564 geborener Sohn Moritz. Von nun an schließt sie sich immer öfter in ihre abgedunkelten Gemächer ein, verweigert die Nahrung und äußert wohl tatsächlich Selbstmordgedanken. Immerhin herrscht auf diese Weise erst einmal Ruhe im Schloss zu Breda. Das Paar wird die nächsten neun Monate beinahe ständig getrennt verbringen, und Wilhelm kann sich ganz dem Freiheitskampf widmen, der gerade in eine entscheidende Phase tritt.
Der Freiheitskämpfer macht weiter
Im März 1566 arrangiert Wilhelm ein Treffen zwischen seiner »Liga« und den kleinadligen Vertretern des »Kompromiss«. Doch seine schöne Idee, gemeinsame Sache gegen Spanien zu machen, geht schief. Selbst Wilhelms beste Zechkumpane Graf Egmont und Graf Horn
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