Sex and Crime auf Königsthronen
Welt, der später Wilhelms eifrigster Nachfolger als Befreiungskämpfer werden soll, 1569 folgt eine Tochter Emilie. Dynastisch gesehen läuft also alles nach Plan, und Anna, so scheint es, lässt sich durch erotische Zuwendung selbst nach heftigem Zwist nachhaltig beruhigen.
Das Wilhelm neben »Leipserben« auch ein paar Bastarde mit »spilkindern« produziert, ist in den Augen von Annas Onkeln und Opas so bedeutungslos wie die Mätressen für ihn.
In Sachen von Annas seelischer Gesundheit macht sich ihre Familie nur Sorgen darum, ob sie im Schloss genug protestantische Predigten zu hören bekommt und dass sie keinen Schaden beim Besuch der katholischen Messe an der Seite ihres Ehemannes nimmt.
Anna macht dieses Spiel nach den ersten Mahnbesuchen aus Hessen und Sachsen eine Weile tapfer mit, beteuert in Briefen nach Deutschland, es gehe ihr »an Leipsgesundheit« gut. Sie sei »allenthalben glückselig« und wolle lieber tot sein als so leben, dass ihre Verwandten dadurch entehrt würden.
Zugleich verdichten sich jedoch die Hinweise darauf, wie unglücklich sie schon bald war. Mal schließt sich die noch immer minderjährige Fürstin von Oranien verzweifelt in ihre Gemächer ein, dann stürzt sie sich manisch ins höfische Vergnügen. Mal himmelhochjauchzend, mal zu Tode betrübt – heute würde man auf Anzeichen einer fürstlichen Depression, einer bipolaren Störung, tippen. Ihre Familie vermutet hinter Annas sprunghaftem Verhalten reine Bockigkeit.
Bände von Briefen gehen hin und her. Von Trost findet sich seitens der Familie keine Spur, es hagelt Ermahnungen. Vor allem soll Anna vermeiden, »mit hitzigen worten« Wilhelms Unwillen zu erregen und dadurch – das wäre unverzeihlich – das Haus Sachsen mit »ärgerlicher Nachrede zu beschweren«.
Anna bedankt sich für alle Ratschläge, und zwar wärmstens. Sogar bei ihrer Tante und ehemaligen Ersatzmama Anna von Dänemark. Die Ziehtochter bittet sogar um Nachschlag, falls »Euer Gnaden etwas von mir hört, dass ich mich nicht recht verhalte, denn ich habe hier niemand, der es mir sagt«. In dem zitierten Brief von 1563 setzt sie sogar hinzu: »Mein herzlieber Herr, der hat mich dazu auch viel zu lieb, um mir etwas zu sagen.«
Von vielen Oranien-Biografen sind diese unterwürfigen Antworten als Heuchelei einer abgefeimten Kratzbürste und frommen Helene gedeutet worden. Eine sehr freie Interpretation.
Der näherliegende Gedanke, dass die noch nicht einmal zwanzig Jahre alte Prinzessin Hilfe sucht, verzweifelt verliebt und bemüht ist, sich ihrem Ehemann – von dem sie emotional und materiell abhängig ist – anzupassen, findet sich in der Forschung selten.
Der moralisierende Vorwurf raffinierter Heuchelei ihr gegenüber ist umso befremdlicher, wenn man an Wilhelms Liebesheuchelei während der Brautwerbung denkt. Oranier-Biografen rechnen es ihrem Helden außerdem hoch an, dass er die Ehe in Briefen an Annas Familie als unbelastet darstellt. Das geht als liebevolle Diskretion durch, ist aber vor allem hohe Diplomatie. Der Prinz will es sich mit seiner politisch potenten Verwandtschaft nicht verderben. Darum gehen diesen Privatbriefen des Prinzen oft mehrere Entwürfe voraus. Sprich: Sie sind sorgfältig durchdacht und komponiert. Mündlich und gegenüber Vertrauten äußert der Fürst sich anders.
Annas Anhänglichkeit, ihre Stimmungswechsel und erst recht die Szenen gehen ihm auf die Nerven. Untereinander nennen die Nassauer Anna bald nur noch »die Person«.
Wilhelms Bruder Ludwig übernimmt es, der jungen Ehefrau die Leviten zu lesen. So wie er schon den ersten Liebesbrief in Stellvertretung seines großen Bruders verfasst hat. Annas »heupt und herzlieber herr« selber sagt seiner Frau hingegen wirklich nichts Böses.
Die anscheinend naive und ahnungslose Anna beschwert sich nur über Ludwig und andere »böse leut« bei Hof. Die Prinzessin scheint jener Kategorie liebender Frauen anzugehören, die nur sehen und hören wollen, was sie sich wünschen. Sie klammert sich an die Fiktion, dass Wilhelms taktisches Schweigen ein Zeichen seiner unsterblichen Liebe ist. Eine Hoffnung, die der Prinz durch gelegentliche Bettbesuche nährt.
Auch in seinen Briefen an die Schwiegerfamilie vermeidet der Prinz Attacken gegen seine »herzliebe Gemahlin«. So etwas hat der Kavalier nicht nötig – dazu sind schließlich die deutschen Spitzel da, die nunmehr regelmäßig aus Sachsen und Hessen geschickt werden. Der Prinz darf sich sicher sein, dass Annas Szenen
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