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Sex and Crime auf Königsthronen

Titel: Sex and Crime auf Königsthronen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Werz
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getreulich nach Hause berichtet und mit Gardinenpredigten beantwortet werden.
    Der Zweck seiner eigenen Zurückhaltung ist klar. Der Meister der Verstellungskünste braucht seine Verwandten noch. Die Rolle des langmütigen Prinzgemahls kommt besser an als Zetern. Das ist Weiberkram, und darin scheint Anna – zu ihrem eigenen Schaden – im Laufe der Jahre sehr gut zu werden.
    Wilhelm hat Annas Verwandtschaft Angenehmeres und Wichtigeres mitzuteilen. Einiges über die Politik und noch mehr über Gefälligkeiten und Geschenke. Der Prinz schickt Jagdhunde aus eigener Züchtung und exotischen Blumensamen aus Übersee nach Sachsen und erhält im Gegenzug Tipps zur Kräuterzucht von »Mutter Annen« oder Schießpulver vom Kurfürsten.
    Für Wilhelms Ehefrau Anna fällt auch einmal etwas ab. Die junge Fürstin bittet ihre heilkundige sächsische Ersatzmutter um Hirsekörner, die ihr die Niederkunft erleichtern sollen. Sie bekommt sie. Das war’s dann aber auch. Die sächsische Hebamme, um deren Entsendung nach Breda die schwangere Anna ebenfalls bittet, bleibt aus.
    Fruchtbarer entwickelt sich der Austausch zwischen Prinz Wilhelm und dem Kurfürsten. Frei nach dem Motto: Geht nicht gibt’s nicht. Mal bittet der Oranier um Zollfreiheit für eine Großlieferung deutscher Bausteine an das Rathaus von Antwerpen. Im Gegenzug fragt Sachsens Kurfürst wegen der Beschäftigung eines Günstlings als Page in Breda nach. Wilhelm kann einen sächsischen Untertanen aus dem Aachener Kerker freibekommen, Kurfürst August im Jahr 1564 den Ankauf von 200 Lasten Roggen vermitteln, als in Wilhelms Gebieten das Korn knapp wird und die Untertanen hungrig und entsprechend rebellisch werden.
    Das Verhältnis könnte herzlicher nicht sein. Man hilft sich, wo man kann. Wilhelm gibt großzügiger als Sachsens Kurfürst oder die hessischen Landgrafen, denn der politische Konflikt mit König Philipp spitzt sich Ende 1564 weiter zu. Genau wie seine Ehekrise, die just in diesem Moment aber keinesfalls zum Hauptkriegsschauplatz werden darf.
    Ein paar kurze Stichworte in Sachen Politik müssen sein, bevor wir uns dem weiteren Niedergang der Unglücksehe widmen.
    Seit 1563 fordert die oppositionelle »Liga« unter Führung von Wilhelm von Oranien den Rückzug von Kardinal Granvelle – Philipps erstem Mann im Staat – aus den Niederlanden. Wilhelm und seine hochadligen Mitstreiter bleiben demonstrativ allen Staatsratssitzungen fern. Sie kleiden ihr Gefolge einheitlich in schwarze Röcke, die an Priesterroben erinnern und mit Abzeichen geschmückt werden, auf denen Köpfe mit Narrenkappen eingestickt sind. Von der Generalstatthalterin zur Rede gestellt erklärt Wilhelm scheinheilig, der Adel habe die albernen Livreen aus Sparsamkeitsgründen und zu Ehren des Königs angeschafft. Es ist eine Verhöhnung von Philipps Versuch, die Adligen zu vereinigen und seiner Allmacht zu unterwerfen. Die aufgenähten Narrenkappen sind eine Anspielung auf Granvelle, den Politiker mit dem Kardinalshut. Die Abzeichen sind ein Renner. 2000 Stück werden allein in Brüssel in wenigen Tagen verkauft. Revolution darf auch Spaß machen.
    Wenig später kursieren Karikaturen, auf denen der Kardinal Bischofsmützen legt wie Eier. Es ist eine Antwort auf den Versuch Spaniens, die Vergabe von Bistümern ohne Mitspracherecht der Niederländer zu regeln. Ins 16. Jahrhundert fällt unter anderem auch die Geburtsstunde der politischen Karikatur. Zeitgleich flammen in den Städten und auf dem platten Land religiöse Unruhen auf.
    Anfang März 1564 beruft Philipp den verhassten Granvelle aus den Niederlanden ab. Die Liga feiert ihren Triumph mit einem tagelangen Trinkgelage in Wilhelms Brüsseler Palais. Man hält sich für die strahlenden Sieger des politischen Machtkampfes. Der gewitzte Wilhelm ahnt als einer von wenigen, dass es so leicht nicht abgehen wird und dass schwerere Geschütze aufgefahren werden müssen.
    Im Dezember hält der Prinz vor dem Staatsrat in Brüssel eine flammende Rede. Er verlangt eine Staatsreform zugunsten des heimischen Adels und weg von der spanischen Herrschaft. Mehr noch: Erstmals verknüpft der Oranier die Rückforderung der Adelsprivilegien mit einem Plädoyer gegen Ketzerverfolgung und für religiöse Toleranz. Ein Anliegen, das der Hochadel, erst recht der katholische, bislang nicht hatte, wohl aber das Volk. Zum ersten Mal bringt der Prinz die Idee einer Zusammenarbeit ins Spiel. Und das meint Wilhelm – im Gegensatz zu vielen seiner Mitstreiter –

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