Sex and Crime auf Königsthronen
Anna, um die es in den letzten Monaten vor der Flucht und nach Wilhelms Drohbrief still geworden ist, ist natürlich mit von der Partie und erneut »schweren Leips«.
Das Kind ist einmal mehr das Ergebnis eines hastigen Zwischenstopps Wilhelms in Breda im bewegten Sommer 1566. So viel Zeit muss – bei allen Unruhen, Geheimmissionen und Staatsaufgaben – sein. Zudem dient der erotische Austausch mal wieder der Sache. Der Prinz hat mehr denn je ein Interesse daran, die Familienbande mit Sachsen und seine Ehe mit Anna zu stärken. Da sind Schwangerschaften und eine handzahme Gattin nützlich. Der Prinz scheint seine Sache gut gemacht zu haben. Die Stippvisite im Ehebett lässt Annas schwankende Gefühle für den schönen Oranier wieder ganz zu seinen Gunsten ausfallen.
Was Anna durchlebt, heißt im modernen Psychojargon Beziehungssucht. An schädlichen und sogar gefährlichen Ehen im Namen der Liebe festzuhalten ist noch heute ein beliebtes weibliches Verhaltensmuster. Obwohl wir anders könnten! Stattdessen hören wir uns haufenweise Songhits darüber an.
Die historische Amour fou der Anna von Sachsen erinnert fatal an einen Hit des Schweizer Popsternchens Stefanie Heinzmann von 2008. Titel: My man is a mean man, but he is my man . Zu deutsch: »Mein Mann ist ein fieser Mann, aber er ist mein Mann.«
Was in der englischen Version und mit Musik unterlegt hübsch und unbekümmert klingt, liest sich in der Übersetzung recht bedenklich und erinnert schwer an das Liebesmuster von Prinzessin Anna. Vor allem folgende Textkostprobe:
Er lügt und betrügt, er liebt und verschwindet. So läuft es halt. Aber ich tu’, was ich kann,
ich halte’ zu meinem Mann. Ich glaube, er liebt mich.
Ich glaube, er weiß es.
Ja, ich glaube, er weiß es.
Davon darf man im Fall des Prinzen ausgehen. Was Anna angeht, so sei noch einmal an ihr Liebesgeständnis aus Teenietagen erinnert: »Er ist ein schwarzer Verräter, aber ich habe keine Ader in meinem Leib, die ihn nicht herzlich lieb hätte.«
Nun, wenn moderne Frauen den falschen Mann zu sehr und bis an die Grenze zur Selbstaufgabe lieben, steht ihnen rein rechtlich der Absprung jederzeit offen. Oder eine Karriere als Popsternchen. Zu Annas Zeiten sieht es für vernarrte Ehefrauen bekanntlich düsterer aus. Einstweilen – so ist es später in Briefen zu lesen – freut sich die schwangere Liebesnärrin darauf, an Wilhelms Seite ins Exil zu gehen.
Dillenburger Depressionen
Das Verhältnis der Eheleute von Oranien bessert sich auf der gemeinsamen Flucht zusehends. Erstmals seit Langem darf Anna darauf hoffen, Monate, vielleicht den Rest ihres Lebens, ganz an der Seite ihres Mannes verbringen zu dürfen. Mit dieser Illusion scheint sie hochzufrieden. Ein Exil in Dänemark, weitab von Wilhelms Familie und den Querelen in den Niederlanden, hätte sie freilich vorgezogen. In Deutschland wartet schließlich die Dillenburger Verwandtschaft, mit der sie wenig Herzliches verbindet.
Im Mai 1567 weilt das Paar erst einmal allein in der nassauischen Residenz zu Siegen. Wilhelm berichtet nach Sachsen, dass seiner Gattin der Aufenthalt hier ausnehmend gut gefalle.
Der Oranier pflegt seine Brieffreundschaft mit Annas Verwandten rege wie selten. Berittene Eilkuriere sind mehrmals die Woche von Siegen nach Dresden unterwegs. Kein Wunder, denn nun ist der Ernstfall eingetreten. Der nahezu mittellose Emigrant braucht jede Unterstützung, die er kriegen kann.
Kurfürst August hat inzwischen eine herzliche Beziehung zu dem seit drei Jahren amtierenden Kaiser Maximilian I. aufgebaut. Der ist Habsburger, ein Vetter des spanischen Königs Philipp II., und noch besser: ein leiser Kritiker von dessen Herrschaftsstil. Religiös gilt Kaiser Maximilian als Vertreter einer Toleranzpolitik und als Protestantenfreund. Er hat dem sächsischen Kurfürst sogar Sympathie für Wilhelms Widerstandspolitik signalisiert. Das darf der Oranier sich nicht verderben.
Schon in den allerersten Briefen, die von Siegen nach Sachsen gehen, betreibt er eine ausgefeilte Selbstvermarktungskampagne und Werbung für seine Sache. Zunächst gilt es, den hastigen Aufbruch aus den Niederlanden ins rechte Licht zu rücken. Der Prinz stellt die Flucht als selbstlose Rettungsaktion Annas dar. Schließlich sei sie Lutheranerin und folglich samt ihrer ungeborenen Leibesfrucht in Lebensgefahr gewesen. Nur darum habe er Hab und Gut im Stich gelassen.
Zumal seine Gattin, wie der Prinz in ein und demselben Brief betont, bekanntermaßen
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