Sex and Crime auf Königsthronen
keine holdselige Jungfrau, sondern schwierig und ein »schwer christlich Kreuz« sei. Weitere Schreiben ähnlicher Art folgen. Zuckerbrot für sich und die Peitsche für die Gattin, so lässt sich sein Konzept umreißen.
Man darf davon ausgehen, dass Anna diese Korrespondenz nicht zu Gesicht bekommt. Sie schwelgt im wiederbelebten Eheglück, und dabei will Wilhelm sie nicht stören. Zu seinen Gunsten sei angemerkt, dass er sich die Rolle des edlen Ritters sicher selbst abnimmt, schließlich ist er so erzogen. Zudem neigen Menschen, speziell in gestörten Ehen, dazu, von sich selbst nur das Beste und vom anderen das Gegenteil anzunehmen.
Die Idylle à deux in Siegen dauert nur wenige Wochen. Im Frühsommer 1568 ziehen die Eheleute mit einem Hofstaat von etwa 100 Personen in der nassauischen Dillenburg und damit bei Wilhelms Familie ein. Unter anderem, weil das Geld zu knapp ist für eine doppelte Haushaltsführung, aber vor allem, weil Wilhelm sich auf seine Familie hundertprozentig verlassen kann. Der Clan hat reges Interesse daran, ihm als Goldkind der Sippe wieder zu Rang und Namen zu verhelfen.
Als regierender Graf und Schlossherr von Dillenburg fungiert inzwischen Wilhelms Bruder Johann. Mama Juliane führt den Damenhof. Nach lutherischer Manier. So wie Anna es aus Dresden kennt und hasst. Von den Frauen wird Beten, Hausarbeit und Demut gegenüber ihren »christlichen heuptern« – also den Ehemännern – erwartet. Und ihrer Schwiegermama Juliane von Stolberg ist es ernst damit. Ihrem Sohn muss sie sämtliche Eskapaden verzeihen, aber einer Frau und Schwiegertochter? Nö! Das sind nicht die besten Voraussetzungen für eine friedliche Wohngemeinschaft.
Auch räumlich wird es knapp. Die Schlossanlage von Dillenburg kann in Kriegszeiten zwar bis zu 1000 Personen aufnehmen, die meisten allerdings in unterirdischen Kasematten, die der Verteidigung dienen. In der Beletage des Nassauer Stammsitzes dürfte es eng geworden sein – angesichts von Wilhelms und Annas fürstlichem Hofstaat.
Nun, man rückt zusammen und sammelt Geld für Wilhelm und für einen Feldzug gegen Alba. Gern, wie sie später betont, steuert auch die schwangere Anna von Sachsen ihr Aussteuergut bei: Tafelaufsätze, Geschirr und Besteck. Von Krach um ihre echt silbernen Blechlöffel berichtet auch Wilhelm nichts. Ein Indiz dafür, dass seine Gattin zu diesem Zeitpunkt an der Ehe nichts auszusetzen hat.
Zusammen mit den Wandteppichen des Prinzen und seinem Silberzeug werden Annas sächsische Schätze versetzt. Der Erlös aus den Verpfändungen ist ein erster Tropfen auf den heißen Stein. Die Aufstellung eines Heeres kostet Unsummen.
Daher sondiert der Oranier, wer ihm – neben Deutschlands Protestanten – beim Kampf gegen Alba und beim Kampf um seine holländischen Güter noch Hilfe leisten könnte. Englands Königin Elisabeth weicht in Sachen Truppenhilfe aus Kostengründen aus. Frankreichs adlige Hugenotten, die daheim seit Jahren einen bewaffneten Kampf gegen ihren katholischen König führen, bieten eine Waffenbruderschaft an. Wieder bewährt sich die Arbeitsteilung zwischen den Brüdern Wilhelm und Ludwig. Der jüngere Nassauer ist jetzt bekennender Calvinist und Geuse und kann die Verhandlungen mit seinen französischen Glaubensgenossen vorantreiben.
Wilhelm hingegen darf seine Neigung zu den kampferprobten gallischen Calvinisten nicht so deutlich zeigen. Er hält sich an seine deutschen Verwandten, die Lutheraner sind und den Calvinisten spinnefeind. In Sachen Militärhilfe für Wilhelms Sache sind die deutschen Verwandten zunächst störrisch. Sie bevorzugen – wie schon beschrieben – eine versöhnliche Diplomatie. Der deutsche Protestantismus ist schließlich seit dem Augsburger Religionsfrieden von 1555 halbwegs gesichert, solange sie dem Kaiser keinen Ärger machen.
Der Kurfürst von Sachsen und der Landgraf von Hessen unternehmen im August 1567 eine diplomatische Mission nach Brüssel, um die Tolerierung des lutherisch-protestantischen Glaubens nach deutschem Muster anzuregen und den Frieden wiederherzustellen. Sie werden abgeschmettert. Kriegspläne gegen Herzog Alba und die Spanier wollen sie trotzdem nicht schmieden. Sie haben in den Niederlanden schließlich keine Besitztümer verloren.
Noch einmal entschließt sich der Oranier zu einer komplexen Charmeattacke. Er bittet Annas Onkel, den Landgrafen von Hessen, um die Entsendung von dessen lutherischem Lieblingsprediger nach Dillenburg. Er will, so schreibt er, Beistand
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