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Sex and Crime auf Königsthronen

Titel: Sex and Crime auf Königsthronen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Werz
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anzuschließen und vor dem drohenden Einmarsch Albas zu fliehen. Am Ende sollen beide sich mit folgenden Worten voneinander verabschiedet haben:
    Egmont: »Leb wohl, Fürst ohne Land.«
    Wilhelm: »Leb wohl, Graf ohne Kopf.«
    Ob erfunden oder nicht: Beide Gesprächspartner sollten recht behalten, wobei der Oranier allerdings besser wegkommt.

Die spanische Furie schlägt zurück
    Alba ist ein Hardliner, der die Rekatholisierung der Niederlande und eine Unterwerfung des Hochadels im Sinn hat. Im August 1567 marschiert der Herzog mit 10.000 italienischen, deutschen und spanischen Söldnern in Brüssel ein. Obwohl schon sechzig, gehört Alba zu den besten Heerführern des Königs und zu den gründlichsten.
    Er richtet einen »Rat der Unruhen« ein, der im Volk bald nur noch »Blutrat« genannt wird. Unter Übergehung traditioneller Gerichte lässt Alba bis 1573 mindestens 12.000 Personen wegen »Aufruhr« den Prozess machen. 9000 werden mit der teilweisen oder völligen Konfiszierung ihres Besitzes bestraft, über 1000 lässt er hinrichten.
    Im Juni 1568 besteigen Graf Egmont und Graf von Hoorn, wie von Wilhelm vorausgesagt, das Blutgerüst auf dem Brüsseler Marktplatz. Ihre Hinrichtung ist – wie alle Urteile des Blutrates – selbst nach damaligem Recht ein glatter Justizmord. Als Ritter vom »Goldenen Vlies« unterstehen die beiden Aristokraten nur ihrem Ordensgericht.
    In vielen Geschichtsbüchern werden dem Herzog von Alba noch weit mehr Hinrichtungen – von bis zu 18.000 ist die Rede – zugeschrieben. Das ist eine gewaltige Übertreibung, die sich antikatholischer und antispanischer Propaganda verdankt, die bereits zu Wilhelm von Oraniens Lebzeiten kräftig betrieben wird. Vom Prinzen selber und in der Folge besonders gern vom protestantischen England.
    Die oben genannten, niedrigeren Hinrichtungszahlen sind der 2006 erschienenen Biografie »Wilhelm von Oranien« von Olaf Mörke, Professor für Geschichte der Frühen Neuzeit in Kiel, entnommen und entsprechen dem heutigen Forschungsstand. Sie sind erschreckend genug, und bei den militärischen Strafaktionen Albas sind Tausende Todesopfer hinzugekommen. Spaniens Soldaten – ein internationales Söldnerheer wohlgemerkt – gehen ab 1567 gegen Unruhestifter und Aufständische in Städten wie Antwerpen mit beispielloser Grausamkeit vor und finden als »spanische Furie« Eingang in die Geschichtsbücher.
    Wer sich genauer über Zahlen informieren will, muss sich in die historische Debatte über die sogenannte »leyenda negra« einarbeiten. Die nach oben frisierten Todeszahlen und die vollkommene Dämonisierung Albas sind Teil einer »schwarzen Legende«, die ganz Spanien und insbesondere Philipp II. jahrhundertelang den Ruf einbrachte, ein beispiellos gewaltlüsterner Tyrann gewesen zu sein.
    Ganz richtig ist das sicher nicht. Strafexpeditionen und Krieg – mit all den damit verbundenen Grausamkeiten – gehören zum Politrepertoire aller großen Herrscher der Neuzeit und dem ihrer Gegenspieler. Man hat errechnet, dass es im 16. Jahrhundert nur 25 Jahre ohne große militärische Operationen in Europa gab, während im 17. Jahrhundert nur sieben Jahre ohne entscheidende Kriege zwischen den sich herausbildenden Staaten und Nationen vergingen. Die Niederschlagung regionaler und lokaler Unruhen ist ein zusätzliches Tagesgeschäft.
    Zeitgenössische Staatstheoretiker wie Italiens Machiavelli und später Englands Thomas Hobbes empfahlen: »Suche den Frieden, wo du ihn haben kannst; wo du ihn – in einer deinen Interessen angemessenen Weise – nicht haben kannst, rüste zum Krieg.«
    Und Luther predigt: »Denn weil das Schwert ist von Gott eingesetzt, die Bösen zu strafen, die Frommen zu schützen und Friede zu handhaben, so ist’s auch gewaltiglich genug bewiesen, dass Kriege und Würgen von Gott eingesetzt sind und was Kriegslauf und Kriegsrecht mitbringet.«
    Friedensphilosophen und Freunde gewaltloser Verständigung – die es auch zu diesen Zeiten gibt – werden nicht gehört.
    Anno 1600 ist Krieg in Europa also Alltag. Nebenher brennen allerorten die Scheiterhaufen in nie zuvor gekanntem Ausmaß. In Mitteleuropa etwa werden vom Ende des 15. bis ins 18. Jahrhundert hinein zwischen fünfzehn- und zwanzigtausend Hexen verbrannt. Deutschland erweist sich als besonders aktiv, quer durch katholische und protestantische Regionen.
    In Spanien sterben hingegen »nur« tausend Hexen und Hexer den Flammentod; man hat mit Andersgläubigen genug zu tun. Die berüchtigte

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