Sex and Crime auf Königsthronen
die Rolle des unerwünschten Anhängsels vorsieht. Erst als lästige Waise, dann als vernachlässigte Gattin und nun als verarmte Strohwitwe. Nur nie als glückliche Fürstin. Auf der Burg der Nassauer scheint sich der Kreis zu schließen. Die Dillenburger Tristesse gemahnt fatal an die Dresdner Tristesse ihrer Kindertage.
Trotz hoher Geburt und prachtvollem Erbe, trotz brennender Liebe und trotz Prinzenhochzeit scheint sie keinen Schritt vorangekommen zu sein. In diesem Zustand muss sie ihre Umgebung – wie sich den Briefen der Nassauer über »die Person« entnehmen lässt – gewaltig genervt haben. Auf der Dillenburg hat man weder Verständnis noch genug Matratzen für eine hypersensible Prinzessin auf der Erbse übrig.
Anna bittet ihren Onkel Wilhelm von Hessen flehentlich um eine Einladung an den Kasseler Hof, um dort mit ihrem Gefolge in ihr angenehmerer und in standesgemäßer Atmosphäre auf den Prinzen zu warten. Die Einladung bleibt aus. Höflich ist das nicht, aber Besuch von verarmten Verwandten mit angeschlagenem Ruf ist nicht jedermanns Sache. Zumal wenn die eine Entourage von Höflingen mitbringen, die es durchzufüttern gilt.
Ende Oktober 1568 tut sich eine andere Fluchtmöglichkeit für die Prinzessin auf, die sie so beherzt wie unüberlegt ergreift.
Jede Krise ist eine Chance – sogar die Pest
Auf der Dillenburg bricht eine Seuche aus. Wie damals üblich wird von Pest geredet, womit jede tödliche Ansteckungskrankheit gemeint sein kann. Der Schlossbäcker und weitere Bewohner der Burg erkranken und sterben; bald sind auch das Städtchen samt Umgebung betroffen.
Annas Kinder werden nach Braunsfeld evakuiert, die Schwiegermutter und die Schwägerin verlassen das Schloss ebenfalls. Die schwangere Anna bleibt zurück. Mit der Begründung, dass sie unter heftiger Morgenübelkeit leide und darum nicht reisefähig sei. Sie bricht mit ihrem Gefolge erst ein paar Tage später auf. Ihr Ziel ist Köln. Eine eigenmächtige Entscheidung, die ihre Schwiegerfamilie als böswilliges Verlassen deutet. Vor allem weil Burgherr Johann einen Reisewagen für Anna und Bargeld aus der Schlosskasse rausrücken muss, um den Umzug der Schwangeren samt niederländischem Gefolge von 20 oder 40 Personen zu ermöglichen.
Nach dem Motto »Jede Krise ist eine Chance« wagt die Prinzessin den Absprung in ein Sololeben. Mit den Dillenburgern will sie ohne ihren Mann nie mehr zusammenleben, schreibt sie später kategorisch nach Sachsen. Lieber wäre sie tot.
An ihrem Prinzen hält sie hingegen weiter fest, möchte aber in einem eigenen Haushalt mit ihm zusammenleben. Die wenigen Wochen auf dem Siegener Schloss haben sie auf den Geschmack gebracht, und ihre Sucht nach Wilhelm scheint ungebrochen.
Per Feldpost gibt der Prinz seinem Schatzmeister, der als Exilant in Köln lebt, Anweisung, seine Gattin samt Gefolge aufzunehmen und zu unterhalten. Auf Kredit versteht sich.
Auch Annas hessischer Onkel, der sie in Kassel nicht haben wollte und der an Ermahnungen sonst nicht spart, zeigt Verständnis für ihren Abschied von den Dillenburgern. Die ständigen Vorwürfe und Beleidigungen der Nassauer seien zu unverschämt gewesen.
Annas Spontanumzug nach Köln stellt die Dillenburger vor ein Versorgungsproblem. Selbstredend hat die Prinzessin als Gegenleistung für ihre Mitgift Anspruch darauf, von ihrem Mann oder seinem Clan versorgt zu werden, aber bitte nicht wie eine Fürstin und schon gar nicht in einem Singlehaushalt! Finden die Dillenburger und erkennen immer klarer, dass ihre Absicht, sich über die Verbindung Nassau/Sachsen an die adlige Tabellenspitze heranzuarbeiten, mit einem unkalkulierbaren Risiko verbunden war.
Die Einheirat einer Fürstentochter in den Grafenclan sieht jetzt nach einem brandgefährlichen finanziellen Eigentor aus. Der militärische Kampf gegen den dynastischen Abstieg kostet bereits ein Vermögen. Nebenher eine lästige Fürstentochter, die sich als Fehlinvestition erwiesen hat, standesgemäß zu unterhalten ist ein Nullsummenspiel.
Man scheut von nun an kein taktisches Foul mehr, um Anna auszumanövrieren. Die Nassauer werfen der Prinzessin neben Frivolität und einem schlechten Charakter vor allem übersteigerten Standesstolz und Gier vor. Zwei unschöne Eigenschaften, die es in ihrer eigenen Familie allerdings genauso gegeben haben dürfte wie in der von Anna.
Fürderhin wird die Kurfürstentochter in den Briefen der Nassauer immer heftiger verunglimpft. Anna redet im Gegenzug verächtlich von
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