Sex and Crime auf Königsthronen
ungeliebte Maria mit Respekt. Das heißt in Versailles: Seine neuesten Mätressen müssen sich offiziell bei seiner Königin vorstellen und dürfen niemals den Hofknicks vergessen. Außerdem steigt der Erfinder des theatralischsten Hofzeremoniells aller Zeiten jede Nacht pünktlich auf ein halbes Stündchen in Marias Bett. Meist nur zum Gutenachtsagen und so, dass ganz Versailles Bescheid weiß. Ludwig XIV. geht es nicht um die eheliche Pflicht, er muss eine tadellose Figur machen. Nach Maria Theresias frühem Krebstod verdrückt der polygame Monarch, der nah am Wasser gebaut hat, gar echte Tränen und bemerkt: »Sie hat mich keinen einzigen Tag ihres Lebens verärgert.« Wilhelm von Oranien wäre vor Neid erblasst.
Maria Theresias Schwägerin Liselotte von der Pfalz, Gattin von Ludwigs homosexuellem Bruder Philippe von Orléans, wärmt ihr zumeist leeres Bett mit bis zu acht Schoßhunden. Die Pfälzerin findet wahrlich Anlass genug, sich außerdem mit Fress- und Klatschsucht zu trösten. Wodurch sie uns ein einzigartiges Geschenk hinterlassen hat: Tagebücher, die von Giftmorden, Sexskandalen und Kapitalverbrechen in Versailles nur so strotzen.
Ehemann Philippe, ein Fan von modischem Firlefanz, Chichi und ganz viel Rüschen, kommt seiner Pflicht zum Kinderzeugen nur widerwillig nach. Beim Akt umwindet er sein Gemächt mit einem Rosenkranz aus Perlen, um seine Laune und seine edelsten Teile zu heben. Liselotte stören das Geklimper beim Routinesex und der Rattenschwanz seiner Galane, die sie beim Gatten und beim Sonnenkönig schlecht machen. Philippes erste Frau, eine englische Königstochter, sollen die Günstlinge gar per Gift aus dem Ehebett ihres Gönners entfernt haben. Ihrer Juwelen wegen, die sie lieber selber tragen wollten. Auch die Klunker von Liselotte luchsten sie Philippe später ab.
Die Pfälzerin kommentiert ihr spannendes, aber kaum beneidenswertes Schicksal, mit umwerfendem Esprit und Humor, genau wie ihre nach dem 40. Lebensjahr unförmige Figur: »Mein Fett hat sich gar übel platziert: Ich habe einen abscheulichen – mit Verlaub – Hintern, Bauch und Hüften und gar breite Achseln. Hals und Brüste sehr platt … habe aber das Glück, gar nichts danach zu fragen, denn ich begehre nicht, dass jemandes verliebt von mir sein solle.« Eine Frau, von der Anna von Sachsen viel hätte lernen können.
Für eine Shoppingsucht à la Marie Antoinette hingegen fehlt unserer unglücklichen Oranier-Gattin das Geld. Ausgelöst wird der Kaufrausch bei Frankreichs Skandalkönigin unter anderem dadurch, dass ihr Gatte Ludwig XVI. die Ehe drei Jahre nicht vollzieht. Dabei ist seine 15-jährige Braut blond, blauäugig und bildschön. Zu viel des Guten für Ludwig Nummer 16. Er versagt aus Schüchternheit. Im 19. Jahrhundert, das ja für gewagte Diagnosen im Genitalbereich bekannt ist, tippte man noch auf eine Phimose (zu Deutsch: Vorhautverengung). Aber dafür gibt es keine Beweise.
Aktenkundig ist, dass Ludwigs österreichischer Schwager Leopold empfohlen hat, den überforderten Ehemann mit der Peitsche anzutreiben, damit der König wie »ein Esel ejakuliere«. Aus purer Not. Wie auch immer – Marie Antoinette wird schwanger, kann von ihren Süchten allerdings nicht mehr lassen, was Frankreich viel Geld und sie schlussendlich den Kopf gekostet hat.
Napoleons Gattin Nummer eins, Joséphine de Beauharnais, verfällt hingegen dem klassischen Schuhtick, während der Korse sich zunehmend von ihr abwendet. 524 Paar soll sie allein im Jahr 1809 gekauft haben, daneben besitzt sie 872 Röcke und 399 Unterröcke. Billig kommt ihr Gemahl in Sachen Dessous davon, die Kaiserin verabscheut das Tragen von Unterhosen. Ansonsten ist die gebürtige Kreolin ein Paradebeispiel für neureiche Verschwendungssucht. Bei einer jährlichen Apanage von drei Millionen Francs bringt die Kaiserin es nebenbei auf Schulden von dreieinhalb Millionen.
Da wäre selbst die kauflustige und labile Lady Di erblasst. Die berühmteste betrogene Königin der Moderne hat auf ihre königliche Ehe, von der sie sich zu viel versprochen hat, bekanntlich mit Ess-Brech-Sucht reagiert.
Leider verfügt die sächsische Prinzessin Anna auf der Dillenburg nicht über die Mittel, um ihre Suchtveranlagung auf Mode umzulenken, Schokolade gibt’s noch nicht, und das sonnige Gemüt einer Liselotte von der Pfalz ist ihr nicht gegeben.
Im Gegenteil: Die Fürstentochter fühlt sich auf der Dillenburg mehr denn je als Gefangene eines Schicksals, das für sie stets
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