Sex and Crime auf Königsthronen
Johann, den Herrn der Dillenburg, nicht vor den Kopf stoßen. Die geben schließlich gerade ihr Letztes zur Finanzierung des Feldzuges. Zum anderen ist es ihm endlich gelungen, Kurfürst August einen Beitrag zur Kriegskasse abzuschmeicheln. Der Sachse leiht ihm 100.000 Gulden, betont allerdings, dass diese Finanzspritze geheim und die letzte Beihilfe bleiben muss, die von ihm zu erwarten ist.
Neben aller Politik widmet sich Wilhelm einmal mehr dem Kinderzeugen. Im Juli wird Gattin Anna, die erst ein halbes Jahr zuvor einen Sohn entbunden hat, erneut schwanger. Gegen einen Feldherrn, der an ihrer Seite Propagandaschlachten führt, hat sie nichts einzuwenden. Doch lange ist ihr das seltene Glück von Wilhelms Anwesenheit nicht vergönnt.
Mit der Leihgabe aus Sachsen, mit Zuschüssen des calvinistischen Kurfürsten und Pfalzgrafen Friedrich III. aus Heidelberg und mit den Spenden reicher niederländischer Exilanten kann Wilhelm im August 1568 ein neues Heer aufstellen. Er plant einen Direktangriff auf das Zentrum der Niederlande und auf Brüssel. Diesmal unter persönlicher Leitung. Mit 30.000 Mann zieht der Prinz im September in Richtung Brabant.
Während Wilhelm auf dem Feld der Ehre antritt, entspinnt sich daheim eine Privatfehde zwischen der frisch geschwängerten Gattin und ihrer Schwiegerfamilie. Ohne den Prinzen macht sich eine unverhohlen feindselige Stimmung im Stammschloss der Nassauer breit. Nach knapp zwei Jahren erzwungener Lebensgemeinschaft kochen alte Ressentiments wieder hoch. Strohwitwe Anna hat die Dillenburg schon kurz nach der Abreise ihres Gemahls satt.
Die Stimmung ist angesichts der bislang erlittenen militärischen Schlappen und Verluste gereizt. Sie wird nicht besser, als die ersten Frontberichte Wilhelms eintreffen. Es zeichnet sich ab, dass der persönliche Feldzug des Prinzen noch katastrophaler verläuft als die Militäraktion des Frühjahrs. Der Herzog von Alba weicht der Stellungsschlacht aus und verwickelt den Oranier in zermürbende Scharmützel. Die Mietsöldner des Prinzen beginnen mangels Entsoldung munter zu plündern und lassen den künftigen »Vater des Vaterlandes« aussehen wie einen Räuberhauptmann.
Und wer hat Schuld an allem Ungemach? In den Augen der Nassauer ist das glasklar – Anna!
Die Dillenburger, so ist einem Brief ihres hessischen Onkels zu entnehmen, werfen dessen Nichte vor, »all Ursach« ihrer Sorgen, ihres drohenden Ruins und des Kriegspechs ihres Gatten zu sein.
Die Schreckschraube Anna als Auslöser für Wilhelm von Oraniens Rebellion, seine Flucht und seinen scheiternden Feldzug? Darauf muss man erst mal kommen. Anna ist schließlich nicht die schöne Helena, und Prinz Wilhelm führt keinen trojanischen Krieg für sie.
Verstehen kann man die Vorwürfe seiner Verwandten so: Man gibt Anna die Schuld daran, dass ihre fürstliche Verwandtschaft nicht hält, was sich die gräflichen Nassauer von ihr versprochen haben. Massive militärische Unterstützung und fette Beiträge zur Kriegskasse. Geheiratet wird schließlich nicht zum Vergnügen.
Dafür, dass Anna genau das und nichts anderes getan hat, muss sie von nun an bitter büßen.
Krieg in den Niederlanden und Krach im Nähzirkel
In den privaten Klatschbriefen der Nassauer liest sich das natürlich anders. Nämlich so: Anna habe sich in den bangen Tagen dieses Herbstes hochmütig, kapriziös, albern und selbstbezogen verhalten. Ständig habe sie über finanzielle Nöte lamentiert und um ihr persönliches Auskommen gebangt. Noch schlimmer: Statt im Dillenburger Damenkreis zu sticken oder zu spinnen und für die kämpfenden Familienhelden Wilhelm und Ludwig zu beten, habe sie sich demonstrativ gelangweilt und fürstliche Vergnügungen vermisst.
Dieser Schilderung von Wilhelms Angehörigen haben sich viele Historiker unkritisch angeschlossen. Anna, so auch deren Fazit, war allein auf ihren Vorteil bedacht, frivol, kurz: ein schlechter Charakter, und sie hatte nicht das Zeug zur duldsamen Heldengattin.
Letzteres mag durchaus zutreffen. In der Rückschau sollte man allerdings nicht unterschlagen, dass Wilhelms Unternehmungen in den Jahren 1568 bis 1572 nicht nach einer erfolgreichen Heldenfahrt, sondern nach einem Himmelfahrtskommando aussehen. In nahezu allen Oranier-Biografien wird dieser Karriereknick im Leben des Prinzen flugs abgehandelt und als seine finstersten Jahre beschrieben. Das waren sie jedoch nicht nur für ihn oder für die Nassauer.
Versetzen wir uns probehalber in Annas Lage anno
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