Sex and Crime auf Königsthronen
die Übertragung der Grafschaften und Landgüter an Anna unterzeichnet hat.
6.Ad 4: Sollte Brüssel nichts rausrücken, kann Anna sich auf eine Zusatzklausel im Vertrag berufen. Darin haben sich die Nassauer verpflichtet, Anna auf ihrem Boden einen eigenen Wohnsitz mit einem jährlichen Einkommen von 12.000 Talern einzurichten, falls ihre niederländischen Güter weniger abwerfen, verschuldet oder verloren sind. Das war der Preis, um den die Nassauer 1561 die Einheirat ihres Goldprinzen ins Kurfürstenhaus gesichert haben.
Daraus folgt: Da mit Wilhelms sozialer Wiederauferstehung nicht zu rechnen ist, hat ein Prozess um Annas Witwengüter – Leibgedinge genannt – durchaus Aussichten auf Erfolg.
Annas Bitte an ihren Onkel um einen Vorschuss aufs Leibgedinge dagegen nicht. August, der als frühmoderner Vorläufer von Dagobert Duck bezeichnet werden kann, rät lediglich dazu, in Sachen »Leibgedinge« eine Petition an den Kaiser und an Philipp II. zu schreiben. Er will es dann mit seinen Empfehlungen weiterleiten. Das kostet nicht viel, vermeidet einen skandalträchtigen Prozess mit den Habsburgern und begeistert zumindest Annas Onkel Nummer zwei, Wilhelm von Hessen, auf Anhieb.
Der Landgraf verspricht seiner Nichte ebenfalls, sich umgehend an den Schreibtisch zu setzen, um sich mit warmen Worten beim Kaiser für sie zu verwenden. Tatkräftige Hilfe zum Lebensunterhalt sieht anders aus.
Anna, die den Prozess und erst recht die Kosten dafür noch scheut, verfasst die Petition und erlangt die Zusage Kaiser Maximilians II., sich für sie zu verwenden. Sie findet also an höchster Stelle durchaus Verständnis für ihr Vorgehen, und ihre Argumente scheinen rechtskonform. Allerdings ist eine kaiserliche Empfehlung keine Garantie für eine Sofortrente, sondern der Beginn einer langwierigen Prozedur. Weshalb Kurfürst August Vorschüsse auf ihr Witwengut weiterhin ablehnt, sodass Anna ihren Bettelbriefverkehr fortsetzen muss.
Bereits im Dezember 1568 schreibt sie erneut nach Dresden und bittet um Geld. Schließlich könne sie mit ihren Kindern nicht »Füße und Hände essen und vom Wind leben«. Als Antwort kommt keine fürstliche Überweisung, sondern ein kurfürstlicher Buchprüfer nach Köln.
Der Gesandte mit dem schönen sächsischen Namen von Berlepsch – bitte einmal laut nachsprechen – hat ein paar Notgroschen im Gepäck, die nicht einmal genügen, um die Fleischerrechnungen zu begleichen. Ansonsten soll er Annas Haushaltsführung kontrollieren. Allzu viel hat der Finanzfachmann nicht zu beanstanden.
Von Berlepsch berichtet nach Dresden, Anna haushalte »genau und sparlich« und serviere frugale Kost. Da sei es in Dillenburg, wo er gelegentlich zu Gast war, stattlicher und höher hergegangen. Zurück dahin will Anna dennoch nicht.
Berlepsch rät zur Entlassung weiterer Lakaien und zur Einschränkung der Gastfreundschaft. Gehorsam reduziert Anna ihre Hofhaltung und schafft bis auf zwei Wagenpferde und zwei Esel alle Fortbewegungsmittel ab. Berlepsch macht einen Abstecher nach Dillenburg, um die Nassauer auf ihre Unterhaltspflichten hinzuweisen. Graf Johann von Nassau rechnet ihm vor, was er bislang in den Krieg seines Bruders gesteckt hat. 170.000 Gulden. Er sei nahezu blank.
Auf die versetzten Teller und Schätze der Prinzessin angesprochen schlägt der Graf vor, der Kurfürst von Sachsen möge sie zusammen mit Wilhelms Kunstschätzen auslösen. Der Wert des fürstlichen Hausrats übersteige die Pfandsumme von 40.000 Gulden erheblich. Graf Johann verlangt im Gegenzug für das Silberporzellan, dass man im Ehevertrag alle Klauseln über Annas Witwensitz auf Nassauer Gebiet und die Leibrente von 12.000 Talern streicht.
Berlepsch, der in weiser Vorausahnung davon ausgeht, dass der Kurfürst kein Interesse an gebrauchtem Hausinventar und der Übernahme von Annas Rentenversicherung hat, reist noch einmal nach Köln. Er ermahnt Anna, auf die Dillenburg zurückzukehren und dort auf bessere Zeiten zu hoffen. Ihr Singledasein in Köln sei »schwer schimpflich« – und nicht finanzierbar. Jedenfalls nicht vom Kurfürsten. Unter »beständigem Weinen«, so Berlepsch, besteht Anna darauf, in Köln zu bleiben.
Statt im Schutz der Dillenburg zu versauern, bleibt sie lieber Stammgast in Pfandhäusern von Köln bis Frankfurt, obwohl der Hochschwangeren das Reisen schwerfällt und wiederum Geld kostet. Ihr Gesinde überfällt gar einen Brennholztransport bei Kerpen nahe Köln, um die Heizkosten zu senken. Erst später
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