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Sex and Crime auf Königsthronen

Titel: Sex and Crime auf Königsthronen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Werz
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bezahlt Anna für das Holz mit der Behauptung, das immer vorgehabt zu haben. Der Ikea-Slogan »gleich mitnehmen, später zahlen« ist damals allerdings noch nicht gängig.
    Kurz: Ihre Lage bleibt klamm. Allen Sparmaßnahmen zum Trotz muss Anna auch in den Folgemonaten bei Kölns Metzgern, Weinzapfern und Lebensmittelhändlern anschreiben und kann ihr Gesinde vom Koch bis zur Waschmagd nur unregelmäßig entlohnen.
    Wie von Berlepsch richtig prophezeit hat, ist aus Sachsen keine weitere Hilfe zu erwarten. Onkel August rechnet ihr nur noch vor, was ihn ihr Hochzeitsfest gekostet hat. Die Landesherrin Anna von Dänemark stellt den Schriftverkehr ein. Dreimal bittet ihre Ziehtochter die dänische Hobbyapothekerin im Frühjahr 1569 um die Übersendung von Hirsekorn, um die bevorstehende Geburt ihres fünften Kindes zu erleichtern. Nicht einmal das scheint man für die Nichte übrig zu haben.
    Hessens Landgraf gibt sich ebenso knauserig. Mit der Begründung, sein Vater habe vor der Heirat mit dem Oranier ausdrücklich gewarnt.
    Am plausibelsten begründen die Nassauer die Unterlassung jeglicher Hilfeleistung. Nach Wilhelms desaströsen Feldzügen ist es bei ihnen wirklich knapp. Annas Petition betreffs ihrer Burgen Diez und Hadamar macht ihnen heftige Sorgen. Noch einmal bieten sie ein Landgut plus Brennholz und Naturalien an, um billiger davonzukommen.
    Ansonsten raten sie, Anna möge sich in Geduld üben, bis Wilhelm sein Hab und Gut wiedergewonnen habe, und sich bis dahin an ihre reiche »herzliebe« eigene Familie wenden. Von der man in Dillenburg am besten weiß, was dort zu holen ist. Nichts. Und Wilhelms Sieg – so sieht es zu diesem Zeitpunkt aus – dürfte auf den Sankt-Nimmerleins-Tag fallen.
    Angesichts solcher Verwandter, deren Leistungen und Biografien in Geschichtsbüchern differenziert gewürdigt werden, ist es zumindest fragwürdig, wenn Anna von Sachsen von Oranier-Forschern jahrhundertelang als singuläres Beispiel für Egoismus, Habgier und Heuchelei im Umfeld des Oraniers dargestellt wurde. Und noch wird.
    So mutmaßt der brillante Historiker Olaf Mörke in einer 2006 erschienen Biografie über Wilhelm, dass der Prinz für die standesbewusste Anna als Gatte bereits bei der Flucht aus Breda erledigt gewesen sei, da ihm nicht mehr der Glanz eines Grandseigneurs anhaftete.
    Tatsächlich plant die schwangere Anna noch im Frühjahr 1569 und darüber hinaus, mit Wilhelm gemeinsam zu leben. Und zwar von ihrem Leibgedinge. In einem Brief an Kurfürst August betont sie ausdrücklich, dass, egal wie das »Kriegswerk« ausgehe, Wilhelm sich von den Zinsen ihrer Güter »wenigstens wie ein Graf, ein Edelmann oder ein Bürger erhalten könne«. Dass Wilhelm irgendwann seinen alten Status zurückerlangen könnte, dafür spricht – wie gesagt – zu diesem Zeitpunkt nicht viel. Aber noch weniger spricht dafür, dass der Prinz seine Zukunft mit Anna als dauerhafte Idylle à deux zu leben wünscht.
    Doch die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt, und im März 1569 kann Anna ihren Prinzen wiedersehen. Hochschwanger reist sie per Schiff nach Mannheim, wohin sich der Prinz nach seinem Feldzug der Kategorie »Unternehmen Titanic« in bedauernswertem Zustand geflüchtet hat.

Ein Fürst in Lumpen
    Wilhelms Versuch, auf französischem Boden zu überwintern, ist im Dezember 1568 fehlgeschlagen. Frankreichs König hat ihm und seiner wild gewordenen Truppe das Biwakieren untersagt. Im Januar ist Wilhelm ins Elsass ausgewichen. Von seinen ehemals 30.000 Söldnern ziehen nur noch 8000 mit ihm. Die weichen dem Prinzen nur deshalb nicht von der Seite, weil er ihnen Sold schuldet. Statt anderweitig Beschäftigung zu suchen, setzen sie Wilhelm lieber buchstäblich das Messer an die Kehle. Ein derart rüdes Gebaren ist bei den Mietsöldnern jener Tage üblich und verdankt sich nicht einer Führungsschwäche des Prinzen.
    Wilhelm muss in Straßburg seine Kanonen in Zahlung geben und seine letzte Habe versetzen, um seine Soldateska zu zähmen. Doch der Erlös aus den Notverkäufen reicht nicht, und nach Frankreichs König fordert ihn Ende Januar 1568 auch der Kaiser auf, das deutsche Reichsgebiet mit seinem ungehobelten Kriegsvolk zu verlassen. Er verhängt die Reichsacht über den Prinzen. Wilhelm kann sich ab sofort nur noch möglichst unsichtbar auf deutschem Boden bewegen und ist nun auch hier rechtlos.
    Als Kaufmann und Bauer verkleidet flieht er vor seinen eigenen Landsknechten nach Heidelberg. Dort nimmt ihn der befreundete

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