Sex and Crime auf Königsthronen
Nachwuchs und ihren Ehemann hat.
Zu diesen Plänen gehört es, in Sachen Leibgedinge weiter zur Tat zu schreiten. Anna will nun Rechtsbeistand einschalten. In gutem Glauben wendet sie sich zunächst an einen Vertrauten ihres Gemahls, einen gewissen Dr. Johann Betz aus Mecheln. Schließlich will sie ihren Mann nicht verärgern, sondern wieder mit ihm zusammenleben.
Dr. Betz soll zunächst nach München zum Kaiser und dann nach Spanien zu Philipp reisen, um ihre Petition betreffs Witwenpension noch einmal persönlich zu überbringen und zu erläutern. Gegen diese zahme Form, den Rechtsweg zu beschreiten, erheben weder die Nassauer noch Annas Verwandte Einspruch. Im Gegenteil, Kurfürst August und der Landgraf von Hessen stellen sogar das Honorar und die Reisespesen des Advokaten. Aus gutem Grund: Ein juristischer Briefbote, der auf ihre Kosten arbeitet, lenkt Anna von handfesten Prozessabsichten ab und kann nicht viel Schaden anrichten. Denn Petitionsverfahren können dauern und dauern und dauern. Das behagt auch den Nassauern. In einem sind sich Annas und Wilhelms Verwandte nämlich einig: Die Prinzessin am ausgestreckten Arm verhungern zu lassen ist die beste Taktik.
Die Mission des Dr. Betz ist ein juristisches Äquivalent zu Baldriantropfen. Der Advokat erfüllt seinen Auftrag ganz im Sinne seiner fürstlichen Geldgeber. Mit dem Temperament einer Schlaftablette macht er im Vorzimmer des Kaisers Dienst nach Vorschrift. Er übergibt die Petition betreffs des Leibgedinges, die bereits vorliegt, noch mal und wartet auf eine Audienz. Und wenn er nicht gestorben wäre, würde er noch heute warten. Nach einigen Monaten beschließt der Advokat, dass er für 500 Taler genug gewartet hat, und verabschiedet sich nach Heidelberg. Die Spanienreise tritt er gar nicht erst an.
Den Kurfürsten von Sachsen und Wilhelm von Hessen hat das Scheitern von Betz weder verwundert noch verärgert. Sie vertrösten Anna damit, dass ihre eigenen Empfehlungsschreiben samt Annas Petition nun in zweifacher Ausführung im Postkörbchen des Kaisers liegen. Sie beten darum, dass der Fall Anna damit vom Tisch ist und der Oranier weit weg in Frankreich bleibt.
Und was macht derweil Wilhelm?
Der Prinz selbst hält sich nach bewährter Manier zunächst aus der Sache heraus und hat bis Herbst glücklicherweise eine gute Ausrede. Er kämpft und lebt meist in Frankreich, lernt dabei weitere Hugenotten kennen, darunter die Königin von Navarra und einige ihrer höchst attraktiven Freundinnen. Eine heißt Charlotte de Bourbon, ist mit dem französischen Königshaus verwandt und bis 1571 Äbtissin eines katholischen Klosters. Wider Willen. Die Eltern haben sie mit dreizehn zwecks Versorgung dorthin abgeschoben. Sie hat zwar einige Reisefreiheiten, die sie gelegentlich auch für Ausflüge in die Kurpfalz nutzt, will aber lieber weltlich und calvinistisch leben. Weshalb sie im Sommer 1571 nach Heidelberg flieht, wo sie anscheinend ihr Herz verloren hat. An Wilhelm. Dem es ganz ähnlich geht.
Gattin Anna bittet den Prinzen zwischen 1569 und 1570 mehrmals um ein Treffen, um ihre finanziellen Probleme und die Möglichkeiten eines eigenen gemeinsamen Hausstandes zu erörtern.
Im Rückblick ist klar, dass diese Idee höchst naiv ist. Die Kurfürstentochter unterschätzt Wilhelms Ehrgeiz und überschätzt ihr Angebot eines beschaulichen Heimatidylls in deutschen Landen. Prinz Wilhelm ist allen Rückschlägen zum Trotz keinesfalls bereit, seine Rolle als europäischer Global Player aufzugeben, um ausgerechnet mit Anna in der Heimat zu versauern.
Der Oranier schlägt zwecks einer Aussprache nur weit entfernte Orte vor oder nassauische Gebiete, denen er undercover gelegentliche Stippvisiten abstattet und die Anna ungern betritt. Da sie sich mit seinen Verwandten ja um ihren Witwensitz streitet, möchte sie nicht Gefahr laufen, dem Anhang ihres Gatten zu begegnen.
Dem Prinzen selbst vertraut sie anscheinend nach wie vor, und Wilhelm nährt Annas vage Hoffnungen auf ein gemeinsames Zuhause. Einmal mehr mit Hintergedanken.
Im November 1569 reist er, unmittelbar nach seiner Auszeit in Frankreich, nicht zu Anna, sondern ins sächsische Meißen, um Onkel Kurfürst zu treffen. Obwohl Wilhelm inzwischen die besten Kontakte zu Calvinisten und Hugenotten pflegt, will er es noch einmal mit dem lutherischen August versuchen.
Die antispanische Stimmung hat sich in den Niederlanden merklich verschärft, nachdem Philipp II. eine drastische Zusatzsteuer eingeführt hat.
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