Sex and Crime auf Königsthronen
calvinistische Kurfürst und Pfalzgraf Friedrich III. auf, dessen Sohn Johann Kasimir bei Wilhelms Kampf in den Niederlanden dabei war. Johann Kasimir ist übrigens Vorbild für das berühmte Volkslied vom »Jäger aus Kurpfalz«, wird später eine Cousine Annas heiraten und diese nach 21 Jahren Ehe ebenfalls wegsperren. Wegen angeblichen Ehebruchs und eines Mordkomplotts. Wer’s glaubt, wird selig. Sächsische Bräute haben damals wirklich notorisch Pech mit Männern.
So wie jetzt Anna. Nach sechsmonatiger Trennung trifft die Hochschwangere im März 1569 auf einen Fürsten in Lumpen. Vom ehemaligen Grandseigneur und Großgrundbesitzer hat sich der Prinz in einen marodierenden Condottiere von zweifelhaftem Ruf verwandelt. Seine Schuldenlast beträgt um die zwei Millionen Gulden.
Doch Wilhelm hat bereits neue Pläne für die Rückeroberung seines Erbes und für die Befreiung der Niederlande von den Spaniern. Er und sein Bruder Ludwig haben sich entschlossen, in Frankreich bei den Hugenotten Zuflucht zu suchen, um dort unter deren Admiral Coligny für die calvinistische Sache zu kämpfen. Nach dem Motto »eine Hand wäscht die andere« verspricht Wilhelm sich von der Waffenbruderschaft spätere Truppenhilfe für seinen Kampf in den Niederlanden.
Anna ist bereit, ihn in dieses Exil fernab von Dillenburg zu begleiten. So hartnäckig wie der Prinz an seinen Wiederaufstieg glaubt, so unbeirrt scheint Anna auf eine gemeinsame, wenn auch zunächst bescheidenere Zukunft zu setzen. Wieder einmal sieht Anna nur, was sie sehen will, und übersieht, dass bescheidene Pläne nie die Sache des Oraniers gewesen sind. Dass beide ein inkompatibles Paar sind, ist inzwischen mehr als deutlich.
Anna will retten, was zu retten ist, und setzt auf ihr erlerntes Statusdenken. Sie glaubt, als Kurfürstentochter und Prinzengattin sei sie an diversen protestantischen Höfen Europas willkommen, wenn ihr Gatte es will. Doch ihrem Wilhelm schwebt keine Karriere als adliger Bittsteller vor. Um wieder ganz oben mitzuspielen, bleibt ihm nur ein Aufbruch zu neuen Ufern. Sein Kurs steht nicht endgültig fest, doch sein Talent zum Richtungswechsel je nach politischer Wetterlage ist ungebrochen.
Von den lutherischen Deutschen wendet sich der Oranier – rein innerlich – mehr und mehr ab. Frankreichs Calvinisten scheinen längst potentere Bündnispartner zu sein. In Heidelberg bei Freund Johann Kasimir hat er gerade vielversprechende Begegnungen mit hochrangigen Hugenotten gehabt, möglicherweise auch mit weiblichen, die ihn mehr als verzückt haben.
Nach außen und gegenüber Anna legt er beim Treffen in Mannheim jedoch weiterhin Wert auf eine gute Verbindung zu Deutschlands Lutheranern und deren mächtigsten Vertretern – also Annas Familie. Schließlich kann man nie wissen.
Ein eheliches Exil in Frankreich lehnt er ab. Charmant wie immer, mit Hinweis auf die baldige Niederkunft und ohne Annas eher beschauliche Zukunftsplanung zu bemängeln. Finanziell kann er seiner Frau nicht weiterhelfen. Fazit der Reise für Anna: Außer Spesen nichts gewesen.
Annas Kampf um ihre Leipserben und ihr Leibgedinge
Die Prinzessin kehrt »schweren Leips« und schweren Herzens, aber nicht entmutigt nach Köln zurück. Am 10. April bringt sie ihr fünftes Kind, Tochter Emilie, zur Welt.
Auch ihre anderen Kinder, die ein Jahr zuvor der Pest evakuiert worden sind, holt sie zu sich nach Köln. Vorangegangen ist ein Sorgerechtskampf mit ihrer Schwiegermutter Juliane von Stolberg. Anna besteht darauf, auch Maria, ihre Stieftochter aus der ersten Ehe des Oraniers, in ihrem Haushalt aufzunehmen. Wilhelm selbst bestätigt später, dass dies wohl Grund des endgültigen Zerwürfnisses zwischen den beiden Frauen ist.
Die Schwiegermutter hält Anna neben allen anderen Vergehen vor, sie sei eine Rabenmutter, was Anti-Anna-Biografen gern für bare Münze nehmen. Überprüfen lässt sich dieser Vorwurf jedoch nicht, und in unserem heutigen Sinne dürfte er in keinem Fall zu verstehen sein.
Im Rahmen üblicher dynastischer Familienpolitik neigen die Nassauer schließlich selbst dazu, Söhne und auch Töchter anderweitig unterzubringen oder früh von daheim wegzugeben und als Politinstrument einzusetzen. Aushäusige Erziehung setzt damals eben allgemein früh ein. Unter einer Rabenmutter verstehen die Dillenburger also eher eine Mutter, die die Kinder eines Oraniers nicht komplett in die nassauische Familienpolitik einspannen lässt, sondern eigene Pläne für sich, ihren
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