Sex and Crime auf Königsthronen
Alle Zeichen – da liegt Wilhelm richtig – stehen auf Sturm. Eine Massenerhebung gegen Albas Terror liegt in der Luft. Da will und muss er dabei sein. Koste es, was es wolle. Etwa Schmeichelei beim Kurfürsten von Sachsen.
Der kann sich denken, was der angeheiratete Verwandte plötzlich vor seiner Haustür will. Um eine Übersiedlung als braver Ehe- und Hausmann nach Deutschland geht es ihm sicher nicht. August lässt den Oranier acht Tage lang in Meißen warten und entschuldigt sich dann mit Krankheit. Eine Audienz kommt nicht zustande. Ein klarer Affront, und dem Prinzen ist endgültig klar: In Sachsen ist nichts zu holen. Seine Ehe mit Anna hat jegliche Geschäftsgrundlage verloren. Die Unterhaltsfrage ist genau wie die Gattin nur noch lästig. Kurz: Das Beste wäre es, sie loszuwerden. Nur wie?
Ein Anwalt namens Rubens
Anna, die sich noch immer mit Pfandgeschäften über Wasser hält, sucht derweil in Köln auf eigene Faust nach einem Advokaten, der bereit ist, um ihr Witwengut zu kämpfen. Im Herbst 1569 hat sie Glück.
Ein Exilant aus den Niederlanden, der keinerlei Verbindungen zum Haus Nassau oder nach Dresden und Hessen hat, übernimmt den brisanten Fall. Mehr noch: Der vierfache Familienvater wird Anna und ihre Kinder vorübergehend sogar in seinem Kölner Haus, einen ehemaligen Patrizierhof, aufnehmen. Seine Frau mit dem fröhlichen Namen Maria Pypelinx wird eine Freundin der einsamen Fürstin. Entscheidender als solche Freundschaftsbeweise ist das Können des Juristen. Schon bald beginnen die Nassauer, die Sachsen und die Hessen seinen Namen zu fürchten. Er lautet: Jan Rubens.
Wenn Sie nun an den berühmten Barockmaler Peter Paul Rubens denken, liegen sie ziemlich richtig. Der weltberühmte Künstler wird sechs Jahre später als Sohn von Annas Advokaten zur Welt kommen. Ein Glücksfall für die Familie Rubens und für die Kunst, den der Prinz von Oranien beinahe verhindert hätte.
Konfrontiert mit einem Juristen vom Format des Jan Rubens zeigen sich er und das Haus Nassau – wie so mancher Adelsclan jener Tage – von einer extrem brutalen Seite.
Die Scheidungsfehde beginnt lautlos
Zunächst verfasst Rubens eine direkte Anfrage nach Brüssel, mit der Bitte um die Freigabe ihrer dortigen Witwengüter und den daraus anfallenden Einnahmen; schließlich sei Anna keine Gegnerin Spaniens. Der Antrag wird trotzdem abgeschmettert. Begründung: Die Prinzessin habe finanziell zu Wilhelms »teuflischen« Feldzügen beigetragen. Dass einer fürstlichen Gattin kaum eine andere Wahl bleibt und dass ihr kein Einspruchsrecht zusteht, ist uninteressant. Der Name von Oranien ist den Spaniern einfach verhasst. Herzog Alba hat längst vorgeschlagen, den Prinzen in Abwesenheit verurteilen und »in effigie« verbrennen zu lassen. Das heißt, eine fürstliche Strohpuppe soll feierlich auf dem Scheiterhaufen hingerichtet werden, um vor Gott und der Welt klarzustellen: Der Prinz ist ein verbrannter Mann. Zur Hölle mit ihm.
Manche Wilhelm-Biografen haben Annas direkte Anfrage an Brüssel und Alba als selbstsüchtiges Manöver gedeutet, mit dem sie der Widerstandspolitik ihres Gatten in den Rücken fällt. Das ist bei genauem Hinsehen nicht haltbar. Zum einen befindet sich der Oranier zu diesem Zeitpunkt in Frankreich, und seine weiteren Pläne sind ihr unklar. Nicht umsonst heißt er der Schweiger.
Zum anderen hat sogar Kaiser Maximilian II. inzwischen ein Empfehlungsschreiben in ihrer Sache an seinen Vetter Philipp II. nach Madrid weitergeleitet. Rubens hat den Vorgang mit seinem Antrag lediglich beschleunigt. Er will Fakten schaffen. Und das ist ihm gelungen.
Das Nein aus Brüssel macht klar, dass Anna nur noch der Gerichtsweg offen steht. Rubens und Anna beschließen, sich nun auf die Übergabe der Burg Diez oder Hadamar zu konzentrieren. Und wie immer, wenn es zwischen Paaren um Geld geht, wird es fies. Noch heute ist Geld der Hauptstreitpunkt zwischen Eheleuten und Langzeitliebenden.
Der Briefwechsel der Gatten von Sachsen/von Oranien gewinnt deutlich an Schärfe. Nachdem ein Jahr lang kein Treffen zustande gekommen ist, hat Anna die Nase voll und schreibt am 6. April 1570 einen kämpferischen Brief:
»Mein lieber freundlicher Herr … Ich kann nicht glauben, dass Sie wirklich wünschen, mich zu sehen, denn Ihre Worte widersprechen Ihrem Verlangen. Bezüglich des Ortes, den ich auf Ihren Wunsch hin aufsuchen und in dem ich in drei Tagen eintreffen soll, kann ich nur sagen, dass er für mich sehr ungünstig
Weitere Kostenlose Bücher