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Sex and Crime auf Königsthronen

Titel: Sex and Crime auf Königsthronen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Werz
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historische Frage ist, hat Anna überhaupt oder hat sie nicht?
    Der notorische Schürzenjäger Wilhelm lässt daran keinen Zweifel zu, und die Forschung ist seiner Darstellung jahrhundertlang gefolgt. Nicht selten, ohne den Prinzen ausführlich zu bedauern.
    Selbst in neueren Wilhelm-von-Oranien-Biografien ist zu lesen, dass der höchst zeugungsfähige Prinz keinesfalls als Vater von Annas Kind Nummer sechs infrage kommt. Die wissenschaftliche Beweisführung für diese These ist bemerkenswert schlicht. Wilhelm von Oranien hat die Vaterschaft bestritten.
    Übersehen wurde und wird dabei gern, dass Ehebruch einer der wenigen Scheidungsgründe ist, die Luther gestattet und die eine Wiederverheiratung erlauben. Wenn auch nur ganz ausnahmsweise und ohne dass seine fürstlichen Anhänger in Deutschland daraus ein Gesetz machen. So weit ist man noch lange nicht.
    Einige herrschaftsbefugte Calvinisten, mit denen Wilhelm eng befreundet ist, gehen da schon weiter: Sie regeln Untreue als Trennungsgrund gesetzlich. Etwa die Königin Johanna von Navarra, in deren Pariser Residenz Wilhelms Bruder Ludwig ein und aus geht und wo auch der Prinz selbst gern zu Gast ist. Genau wie Charlotte von Bourbon, seine künftige Gattin. Navarra sagt ihnen vielleicht nicht viel oder lässt sie eher an Spanien denken. Anno 1600 ist es jedoch ein gespaltenes Königreich und der frankreichnahe Teil wird von der calvinistischen Königin Johanna regiert. Das Ländchen im Norden der Pyrenäen spielt eine Hauptrolle im Kampf von Frankreichs Hugenotten kontra Frankreichs Katholiken. Königin Johannas Sohn wird als Heinrich IV. 1594 sogar König von ganz Frankreich werden. Und vom Calvinisten wieder zum Katholiken, weil’s politisch geboten ist. Angeblich mit dem Satz: »Paris ist eine Messe wert.« Aber das ist eine andere Geschichte. Wichtig zu merken bleibt: Wilhelm hat sehr gute Freunde (und eine feste Freundin), die Scheidung wegen Untreue nicht skandalös finden. Der Prinz findet es wohl vor allem praktisch.
    Aber noch ist er verheiratet, und um auf Ehebruch zu plädieren, muss erst mal ein Liebhaber für Anna her. Möglichst einer, der schlecht widersprechen und sich kaum wehren kann.
    Wen könnte man da nehmen? Nun, wie wäre es mit dem lästigen Advokaten Jan Rubens! Bürgerliche Anwälte sind damals unwichtiges Fußvolk.

Vaterschaftstest per Folter
    Die offizielle Kurzversion vom Vergehen der Fürstin von Oranien lautet bei Wilhelm und in der Forschung traditionell so:
    Anna hat dem Prinzen nach der Flucht aus den Niederlanden ihr Interesse am Fortbestand der Ehe nur vorgegaukelt, bis sie dank Zetern und Rubens die Unterhaltsregelung der Nassauer, Sachsen und Hessen in der Tasche und einen Wohnsitz auf Schloss Siegen sicher hatte. Und weil sie nicht nur gierig, sondern die haltlose Person ist, als die die Nassauer sie schon immer geschildert haben, verführt sie parallel ihren Anwalt.
    Wahrscheinlich mit der Entblößung ihrer schiefen Schulter und dem kokettem Hinken. Wir erinnern uns kurz: Anna ist, laut Forschung, innerlich und äußerlich abgrundtief hässlich.
    Unwissenschaftlich gesprochen ist der edle Ritter von Oranien also Opfer einer abstoßenden Schlampe. Die trinkt zwar so viel, dass sie kaum Herrin ihrer Sinne ist, ist aber zugleich berechnend wie eine Registrierkasse. Ihr Ehebruch hat Wilhelm den Oranier derart enttäuscht und in Rage versetzt, so seine Apologeten, dass er sich nach langem Leiden und schwersten Herzens zur Trennung durchringt.
    Selbstverständlich gibt es Quellenzeugnisse für diese Version. Nämlich wieder einmal Briefe aus der Feder Wilhelms und Verhörprotokolle sowie ein schriftliches Geständnis des Advokaten über eine Affäre mit Anna.
    Leider haben Rubens’ Bekenntnisse einen winzigen Schönheitsfehler. Sie verdanken sich der ausführlichen Folterung und monatelangen Inhaftierung des Juristen auf einer Burg der Nassauer.
    Es ist mehr als fragwürdig, diese Folterakten als objektive Quelle für Rubens’ Vaterschaft zu zitieren. Und was die hochmoralischen Klagebriefe des angeblich betrogenen Wilhelm von Oranien angeht – nun, ja. Propaganda und Rechtfertigungspamphlete sind seine Königsdisziplin, mit der er zu Lebzeiten sogar gekrönte Häupter an der Nase herumgeführt hat. Und verunglimpft. Man denke an die Flugblätter über König Philipps Blutschande.
    Es ist das Verdienst der studierten, wenn auch unifern forschenden Historikerin Maike Vogt-Lüerssen, die Quellen und Briefe von Wilhelm, den

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