Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Sex and Crime auf Königsthronen

Titel: Sex and Crime auf Königsthronen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Werz
Vom Netzwerk:
Nassauern und Anna aus jenen Tagen ausführlich gegen den Strich gelesen zu haben. Näheres über ihr nicht unumstrittenes Buch »Anna von Sachsen«, das 2010 erschienen ist, finden Sie im Literaturverzeichnis. Das Verdienst des Siegener Heimatforschers und Archivars Dr. Hans Kruse ist es, die ungeheure Quellenflut zum Fall Anna im Jahr 1934 gesichtet und erschlossen zu haben. Sein Aufsatz über die Ehetragödie vertritt vehement Wilhelms Position.
    Vogt-Lürssens Lesart hingegen enthüllt ein mutmaßliches Komplott der Nassauer, das so kaltblütig und deprimierend ist, dass man verstehen kann, warum Wilhelm-Freunde es übersehen, übergehen oder rasch abhandeln.
    Zu den Fakten. Wilhelm äußert erst einmal keine Zweifel an der Vaterschaft von Annas Leibesfrucht. Sein Schweigen könnte wie immer überlegt gewesen sein. Die Nassauer wollen die Fürstin und ihren Rechtsbeistand, den sie untereinander schon seit Monaten als »teufels plag« bezeichnen, wohl nicht vorwarnen.
    Zwischen dem 7. und dem 10. März 1571 reist Rubens von Köln nach Siegen. Noch immer sind Unterhaltsfragen mit seiner Mandantin zu erörtern. Die von Nassau zugesagten Beiträge zum Siegener Haushalt stehen noch aus, und die Witwenversorgung ist nach Annas voreiligem Verzicht auf Hadamar und Diez mehr als unklar.
    Rubens kommt bis Siegen, aber nicht ins Schloss. Die Nassauer lassen den Advokaten vor den Stadttoren verhaften. In der Freien Reichsstadt Köln wäre ihnen dieses Recht nicht vergönnt gewesen. Paradox, aber wahr: Im erzkatholischen Köln genießt der calvinistische Exilant Rubens mehr Schutz und Einfluss als im protestantischen Siegen. Köln profitiert gern vom Können und von der Wirtschaftskraft der niederländischen Flüchtlinge. In Siegen hingegen haben die Nassauer das Sagen und die Gerichtshoheit.
    Auffallend günstig ist darum auch, dass Wilhelm seine Anna während der gemeinsamen Sommerfrische anno 1570 für eine Residenz im nassauischen Siegen statt im mächtigen Köln oder im sächsischen Erfurt erwärmen konnte. Der Verdacht liegt nahe, dass die gezielten Charmeattacken des Prinzen und die Freundlichkeiten seines Bruders Graf Johann nicht reiner Herzensgüte entsprungen sind. Mit etwas Geld und guten Worten haben sie Anna in ihr Herrschaftsgebiet gelockt. Hier ist sie von anderen Rechtswegen – etwa dem kaiserlichen Gericht zu Speyer – erst einmal abgeschnitten und nun praktischerweise auch von ihrem Rechtsbeistand.
    Der Anwalt wird nach Dillenburg verbracht und »peinlich« befragt. Per Folter kann man ihn dazu bewegen, den Ehebruch mit Anna zu gestehen. Streckbank und Daumenschrauben zeigen rasch Wirkung. Mitte März unterzeichnet Rubens die Schilderungen des Ehebruchs.
    Kostprobe aus den Folterakten: Beim Abendessen nach der Erledigung der Rechtsgeschäfte sei es zu holden Blickwechseln gekommen, die Anna erröten und Rubens schwach werden ließen. Die verhängnisvolle Affäre habe im Mai 1570 begonnen und zwölf bis vierzehn Mal zu außerehelichem Verkehr unter anderem in Kassel und in Ebersbach geführt. Ordnungsgemäß bereut der Delinquent seine Taten, die die Summe seines »bösen Lebens« und ein »Werk des Teufels« seien. Demütig bittet er darum, für seine und Annas Sünden Genugtuung leisten zu dürfen. Ansonsten empfiehlt er sich der Barmherzigkeit Gottes. Auf die der Nassauer kann er nicht zählen.
    Anna erfährt von der Verhaftung zunächst nichts. Drei Briefe von ihr an Rubens’ Adresse in Köln bleiben unbeantwortet. Ihre berittenen Boten kehren nicht zurück. Am 11. März schickt sie einen weiteren Kurier nach Köln, dem sie »auf sein Leben« befiehlt, spätestens in einer Woche zurück zu sein. Damit der vierte Meldegänger das Nassauer Hoheitsgebiet unauffällig durchqueren kann, schickt Anna ihn zu Fuß los. Die Fürstin ahnt jetzt, dass etwas nicht stimmen kann.
    Ihre Aufregung ist der Nachricht deutlich zu entnehmen (Achtung uralte Rechtschreibung!): »Ruebens (also Rubens), ich kan mich nicht genucksam verwundern, das ich auf alle die Briefe, so ich Euch schicke (…) kein andtwort habe. (…) Ich weis nicht, was ich denken sal.«
    Unterzeichnet ist die Mitteilung mit »eure gute Freundin Anna von Sachsen«.
    Das klingt nicht nach liebender Sehnsucht, wohl aber nach Verzweiflung und Angst. Keiner der erhalten gebliebenen Briefe zwischen Anna und Jan Rubens enthält auch nur den Hauch eines Liebesschwures.
    Statt einer Antwort aus Köln erhält Anna am 19. März Besuch aus der Dillenburg. Ein

Weitere Kostenlose Bücher