Sex and Crime auf Königsthronen
Rechtsmittel verzichten, wenn der Anwalt nur freikommt. Johann lehnt ab. Mit dem Verfallsdatum von Versprechungen kennen die Nassauer sich schließlich aus.
Ob Anna insgeheim noch Hoffnung in einen Prozess in Speyer setzt, ist nicht nachweisbar. Fest steht, sie will raus aus Siegen. Wichtigstes Nahziel: eine sichere Bleibe finden fern von den Nassauern und auch von Sachsen.
Die Nassauer wollen sie selbstredend dabehalten und haben vorbeugende Maßnahmen gegen einen Umzug Annas mit unbekannter Adresse ergriffen. Annas Hofmeisterin, deren Mann beim Fürsten von Oranien in Diensten steht, fungiert schon des Längeren als Bewegungsmelder. Zudem liefert die Edeldame gern Berichte, dass Anna sich mit Siegener »Apothekern und Pfaffen vollgesoffen« habe. Ausschweifungen darf man sich dazudenken. Vermutlich hat die Hofmeisterin dafür ein Handgeld von 400 Talern kassiert.
Als die Fürstin der bezahlten Klatschbase auf die Schliche kommt und sie wegen Verleumdung vors Siegener Stadtgericht stellen will, verabschiedet sich die Ehrendame flugs mit unbekanntem Ziel. Der Prozess, in dem Siegens abgrundtief beleidigte Bürger als Entlastungszeugen hätten auftreten können, kommt nicht zustande.
Stattdessen haben die Nassauer reichlich rufschädigendes Material zusammen, das Wilhelm von Oranien am 5. Juni 1572 – entgegen seinem Versprechen – nach Sachsen übermittelt. Damit beendet er den Fall Anna für sich und besiegelt ihren Untergang. Warum gerade jetzt?
Neben seiner keimenden Liebe zu der Hugenottin Charlotte von Bourbon spielen bei Wilhelm wieder einmal politische Gründe eine Rolle. In den Niederlanden erobern gerade die rebellischen Geusen dank taktischer Unterstützung durch den Prinzen und seines Bruders Ludwig von Nassau Nordholland. Sie wollen den klugen Wilhelm von Oranien zu ihrem offiziellen Anführer machen und wieder als Statthalter von Holland, Zeeland und Utrecht einsetzen. Die Geusen sind zum Großteil überzeugte Calvinisten. Der Prinz ist noch immer ein Scheinkatholik mit lutherischem Anhang. Tja, der Zeitpunkt ist gekommen, um zwecks Karriere zu konvertieren und im Privatleben mal wieder kräftig aufzuräumen. Darum die Trennung per Briefpost.
In seinem oben genannten Schreiben offenbart der Prinz dem lieben Onkel August von Sachsen den Seitensprung Annas. Eingehend führt er noch einmal aus, wie oft und wie viel er diesem »Hauskreuz« von Frau ohnehin schon verziehen und wie er gelitten habe. Nun aber sei endgültig Schluss. Wilhelm beteuert, dass er »privat nie nach Rache« gedürstet habe. Was stimmt; es ging ihm stets um Politik, nicht um Gefühle oder um Anna. Als Anlage legt er die Folterakten bei. Fertig!
In einem letzten verzweifelten Versuch will Anna sich nun über andere Rechtsgelehrte als Rubens an Speyer wenden. Zu spät. Ihre Briefe werden kontrolliert und Fluchtversuche verraten. Anna sitzt in Siegen fest, und Umzugspläne machen nun ganz andere für sie.
Der Kurfürst von Sachsen, der Landgraf von Hessen und der Prinz von Oranien einigen sich darauf, die Fürstin in der nassauischen Feste Beilstein wegzusperren. Annas Blutsverwandte haben keine Einwände und wollen endlich Ruhe. Der Rechtsweg ist für Anna ab sofort ausgeschlossen.
In Beilstein, einem düsteren Gemäuer am Rande des Westerwalds, muss Anna in den kommenden drei Jahren hinter vergitterten Fenstern über ihre Sünden – egal, ob begangen oder nicht – nachdenken. Und beten.
Damit das Ganze nicht zur Erholung wird, darf sie nur noch die Bibel und fromme Bücher lesen. Zweimal die Woche bekommt sie Besuch von einem Prädikanten, der ihr die Leviten liest, aber ihr die Sakramente nur bei Wohlverhalten spendet. Wenn sie brav ist, darf die Prinzessin streng bewacht im Garten spazieren gehen. Ihr Schlafgemach muss sie mit den Mägden teilen. Briefverkehr ist nur mit ihren Onkeln erlaubt, so man ihr Papier gibt.
Sie darbt zwar nicht bei Wasser und Brot, aber die Mahlzeiten sind alles andere als fürstlich. Anna schreibt an den Landgrafen von Hessen, der die Beilsteiner Verwahrung mitfinanziert, er möge ihr Essen schicken. Was die Köchin ihr vorsetze, sei ungenießbar, und sie sei froh, ein paar Äpfel geschenkt bekommen zu haben. Auf ihre Beschwerde bei den Dillenburgern hin habe sie die Antwort erhalten, »will ich nicht fressen, was man mir vorsetzt, so mag ich es lassen stehn; was ich nicht fresse, das hätt ich nicht hinten quitt zu werden«.
Einziger Trost ist vielleicht Baby Christine, das ebenfalls in
Weitere Kostenlose Bücher