Sex and Crime auf Königsthronen
Beilstein untergebracht ist. Wiewohl es unter diesen Umständen schwer gewesen sein dürfte, ungetrübte Mutterliebe zu entwickeln.
Zumal das Gesinde von Beilstein die Prinzessin zum Zeitvertreib gern als Abschaum beschimpft. Ein Beilsteiner Amtmann mobbt besonders herzhaft. Er behauptet, dass ihre eigenen Verwandten angeregt hätten, »dass man dich zur Dillenburg soll führen, um dich da in ein Loch zu setzen, da man Huren hin pflegt zu setzen … Prinzessin, du bist eine Hure jau, jau«. Was besonders pikant zu nennen ist, da besagter Amtmann ein Bastard aus dem Hause Nassau ist. Tja, die größten Kritiker der Elche waren früher selber welche.
Annas Hauptbewacher, der Hofmeister von Beilstein, wird sich in den kommenden Jahren darüber empören, dass Anna unmäßige Wutanfälle gegenüber dem Personal hat. Außerdem vernachlässige sie die Frömmigkeit, besteche die Torknechte um Wein und wirke leicht irr. Was alles zutreffen, aber kaum verwundern dürfte. Ebenso wenig wie die Selbstmordversuche, die die Fürstin mit dem Messer begeht, so sie eines in die Finger bekommt. Den Besteckkasten hat der Hofmeister nämlich ebenfalls zu bewachen. Die 27-Jährige hat kurz vor ihrer Verbannung nach Beilstein versucht, Hand an sich zu legen.
Kümmern tut’s keinen. Man ermahnt die Gefangene aus Hessen und Sachsen lediglich schriftlich, ihr Seelenheil im Blick zu behalten.
Interessant wird Anna für ihre Verwandten erst wieder, als im März 1575 das Gerücht die Runde macht, der Prinz von Oranien wolle sich neu und damit zum dritten Mal verheiraten. Nämlich Charlotte von Bourbon. Moooooment mal! Der Fürst und die Fürstin sind doch noch gar nicht geschieden, empören sich Annas Onkel August und Onkel Wilhelm von Hessen.
Nein, damit haben sie jetzt nicht gerechnet. Man hat doch alles zur Zufriedenheit des Prinzen geregelt. Die Gattin ist mundtot, kann keinen Skandal mehr machen, stört in Beilstein nicht bei der Politik und kostet kaum was.
Trotzdem ist Gefahr in Verzug. Denn für Wilhelm läuft in Holland alles blendend. Die calvinistischen Geusen haben ihn tatsächlich wieder zum Statthalter gemacht, und Wilhelm ist zum Calvinismus konvertiert, um mit den schlagkräftigen Geusen im riesigen Rest der Niederlande gegen die Spanier anzutreten. Nach alter Manier widmet er sich in einer Kampfpause der Liebe.
Im Jahr 1575 findet der Freiheitskämpfer Zeit, einen schönen Nebeneffekt seines drittens Glaubenswechsels auszunutzen: Eine Scheidung wegen Untreue und die anschließende Wiederverheiratung sind im Calvinismus nicht nur denkbar, sondern für Wilhelm als Statthalter in Holland auch machbar! Im Juni beruft der adlige Regierungschef eine calvinistische Theologenkommission ein, um über die Scheidung des lutherisch-calvinistischen Fürstenpaars von Oranien wegen Ehebruch der Gattin zu beraten. Tja, wie mag deren Entscheidung wohl ausfallen?
Wilhelm hat zum wahren Glauben gefunden und eine – wohl bereits schwangere – Hugenottin als Frau im Blick. Die lutherische Gattin hat schriftlich in eine Trennung eingewilligt, und Rubens hat den Ehebruch gestanden. Darüber hinaus sitzt er nach wie vor im Kerker zu Nassau und kann jederzeit befragt werden. Anna ist hingegen in Beilstein zum Schweigen verdammt. Mit Zustimmung ihrer eigenen Verwandten, deren vernichtende Briefe über die Fürstin Wilhelm stapelweise vorlegen kann. Ganz ehrlich, viel genialer geht es nicht. Am 11. Juni hat der Prinz die Scheidung durch und heiratet tags darauf die 28 Jahre alte Exnonne Charlotte.
Das gilt nicht, finden der geleimte Landgraf von Hessen und Sachsens Kurfürst. August, der Wilhelm schon seit Wochen mit Mahnbriefen aus Dresden bombardiert, platzt vor Wut.
Nicht Anna ist die Sünderin, zürnt August, sondern Wilhelm sei das »heupt aller schelmen«. Nach vierzehnjähriger Amnesie kehrt beim Sachsen spontan das Erinnerungsvermögen zurück. Dem Deutschen fallen alle schlechten Charaktereigenschaften des Prinzen wieder ein: Liebesheuchelei bei der Brautwerbung, ständige Ehebrecherei, Hang zu falschen Versprechungen, mangelnde Frömmigkeit, Verschwendungssucht und so weiter und so weiter.
Erstmals nimmt der Onkel sogar seine Nichte als verführtes Opfer in Schutz. Anna, so schreibt er, habe sein Haus als fromme Unschuld verlassen und den Ehebruch vor Gericht nie gestanden. Außerdem habe man in Sachen Seitensprünge über Wilhelm noch viel mehr auszusagen.
Und P.S.: Aus all diesen Gründen will August umgehend die Mitgift der
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