Sex and Crime auf Königsthronen
goldrichtig. Die calvinistischen Geusen sind den Spaniern religiös, politisch und militärisch gewachsen.
Sie verwandeln den Kampf gegen Herzog Alba in einen Guerillakrieg, der König Philipp sein Leben lang beschäftigen wird. Wilhelm ist als Feldherr nicht sonderlich berühmt, aber als taktisch gewiefter Rebellenführer ist er unschlagbar. Sein Entschluss, als Aristokrat gemeinsame Sache mit Bürgern, Handwerkern, Kaufleuten, Fischern und Matrosen zu machen, ist ein Geniestreich.
Kleines Beispiel für Wilhelms Win-win-Strategie: Der Siegeszug der gemischten Rebellentruppe beginnt auf See. Die Wassergeusen machen Jagd auf spanische Nachschub- und Handelsschiffe. Wilhelm befehligt sie nicht, stellt den Geusen aber Kaperbriefe aus, damit man sie nicht für simple Seeräuber hält. Das darf er, weil er ja ein Prinz mit eigenen Hoheitsrechten in Orange ist, auch wenn sein Winzlingsfürstentum meilenweit von jedem Meer entfernt liegt. Als erstklassiger Diplomat überredet er Königin Elisabeth I., seiner Piratenarmee englische Häfen als Operationsbasis zu öffnen. Die Monarchin ist selbst eine große Freundin der Freibeuterei. Für Wilhelm macht sich die Kaperflotte bezahlt. Sie sorgt für die entscheidende Wende im Kampf gegen Alba und für Wilhelms Wiederaufstieg vom Fürst in Lumpen zum Polithelden, der es mit Königen aufnehmen kann.
1572 können die Wassergeusen die südholländische Hafenstadt »Den Briel« oder Brielle an der Maasmündung erobern. Es ist die erste Stadt, die in Prinz Wilhelms Namen für immer von den Spaniern befreit wird. Ein Husarenstück, das die Bürger von Den Briel jährlich in historischen Kostümen nachspielen. Und zwar so: Am Nordtor klopft ein bescheidenes Geusenkontingent an und bittet um Einlass. Pah, sagen die spanischen Bewacher, wir sind doch nicht doof. Sind sie aber doch, am Südtor haben sie keine Wachsoldaten postiert, und dort marschiert die Hauptabteilung der Wassergeusen unbehelligt ein.
Tja, so schnell kann Krieg gehen. Und das Ganze passiert ausgerechnet an einem 1. April. Mag sein, dass die spanischen Wachsoldaten das Ganze für einen Scherz gehalten haben. Ist es aber nicht. Den Briel nennt sich im Stadtwappen seither Libertatis Primitiae – die zuerst Befreite.
Den volks- und matrosenfreundlichen Oranier feiert man in der Folge als »Vater des Vaterlands«. Ehrentitel hat Wilhelm also schon vor seiner Stilisierung zum Nationalhelden gesammelt.
Verlassen wir an dieser Stelle den Kriegsschauplatz, der volks- und matrosenfreundliche Oranier hat schließlich auch ein Privatleben.
Seine 1575 mit Charlotte von Bourbon geschlossene Ehe erweist sich als friedlich und fruchtbar. Die Gattin wird nach der Heirat bis zu ihrem Tod im Jahr 1581 jedes Jahr pünktlich schwanger. Sechs Töchter entspringen der Verbindung, alle werden in europäische Adelshäuser einheiraten. Die Namen von Wilhelms Mädchenschar verraten, dass der Prinz und Statthalter der niederländischen Republik es immer ernster mit dem Patriotismus nimmt. Tochter Nummer drei bis sechs heißen: Katharina Belgica, Charlotte Flandrina, Charlotte Brabantina und Emilia Secunda Antwerpiana. Da sage noch mal einer, heutige Eltern würden es mit ausgefallenen Namen etwas übertreiben. Nur gut, dass der Prinz nicht Wanne-Eickel befreit hat.
Spaß beiseite, die Namensgebung zeigt, dass der Prinz auch als Rebell dynastische Pflöcke einschlagen will. Der Nachname von Oranien wird mit flächendeckenden Vornamen kombiniert.
1583 stirbt Charlotte von Bourbon. Nur ein Jahr später heiratet Wilhelm eine weitere Hugenottin. Louise de Coligny ist Tochter des berühmten Hugenottenanführers, dessen Ermordung im August 1572 die Pariser Bartholomäusnacht ausgelöst hat. Louise schenkt Wilhelm noch einen Sohn, der später wie sein Papa Statthalter der Niederlande wird. Das Eheleben im Delfter Heim wird von Attentatsversuchen auf Wilhelm überschattet.
Feinde, ehemalige Mitstreiter und Untertanen, die nicht vom König und von der Herrschaft des Katholizismus befreit werden wollen, schmieden Mordkomplotte. 1582 wird Wilhelm von Oranien erstmals aus dem Hinterhalt angeschossen. 1584 feuert ein prospanischer Jesuitenzögling aus nächster Nähe drei Pistolenschüsse auf den »Vater des Vaterlands« ab. Eine zerreißt dem 51-Jährigen die Brust.
Wilhelm hat seinen Mörder Balthasar Gerard als angeblichen Flüchtling vor der Inquisition in seinem Haus, dem Prinsenhof in Delft, aufgenommen. Er gibt Gerard sogar Geld für Kleidung,
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